Sinkende Preise & fehlender Platz – Thüringer Schweinehalter*innen stehen mit dem Rücken zur Wand

Sinkende Erzeugerpreise für Schlachtschweine und fehlende Schlachtkapazitäten setzen die Thüringer Schweinehalter*innen wirtschaftlich zunehmend unter Druck. Ursächlich hierfür ist der Preisverfall wegen des Auftretens der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Deutschland und den Folgen der Corona-Pandemie. So sank aufgrund des Corona-bedingten Rückgangs der Schlachtkapazitäten der Erzeugerpreis für Schlachtschweine von 2,02 Euro (März 2020) je Kilogramm Schlachtgewicht auf 1,47 Euro (Sept. 2020). Nachdem im September erstmals die ASP bei einem Wildschwein in Deutschland nachgewiesen wurde, stürzte der Erzeugerpreis nochmals um 20 Cent auf heute 1,27 Euro je Kilogramm Schlachtgewicht. Die finanziellen Folgen seien existenzbedrohend, so André Telle, Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Schweinehalter in Thüringen: "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand. Im Moment verzeichnen wir pro Mastschwein einen Verlust von 40 Euro. Bei einer Produktion von 17.000 Mastschweinen pro Woche bedeutet das ein Minus von 680.000 Euro für die Thüringer Betriebe. Und das jede Woche."

Insbesondere die fehlenden Schlachtkapazitäten sind für die Schweinehalter*innen zunehmend problematisch. Verbleiben die Schweine in den Ställen und werden nicht abgeholt, werden sie immer größer und schwerer. Dadurch aber sinkt der Verkaufspreis weiter: Für Tiere, deren Gewicht nicht mehr in den optimalen Gewichtskorridor passt, d.h. die zu schwer und zu groß sind, zahlen die Schlachthöfe nur noch einen Preis von 0,71 Euro je Kilogramm Schlachtgewicht. Dadurch können die wöchentlichen Verluste der Thüringer Schweinehalter*innen auf mehr als eine Million Euro ansteigen. Dies sei nicht hinnehmbar, so Dr. Klaus Wagner, Präsident des Thüringer Bauernverbandes: "Wir fordern umgehend finanzielle Hilfen für unsere schweinehaltenden Betriebe, wie sie in anderen von der Corona-Pandemie betroffen Branchen möglich sind. Auch muss die Abrechnungsmaske für Schlachtschweine geöffnet werden." Geschehe das nicht, so die Befürchtung des Bauernpräsidenten, stünden hier in Thüringen bald viele schweinehaltende Betriebe vor dem Aus. Das müsse verhindert werden: "Es kann doch nicht sein, dass die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie einseitig auf den Schultern der Schweinhalter*innen abgeladen werden."

Um den Rückstau abzubauen, müssten zudem regionale Schlachtkapazitäten erhalten bleiben und die Schlachthöfe in die Lage versetzt werden, wieder unter voller Auslastung zu arbeiten, so die Forderung Wagners: "Den Schlachthöfen muss es möglich sein, die Arbeitszeiten unter Einhaltung der Arbeitsschutz- und Hygieneregeln flexibel gestalten zu können. Vor allem bewährte Hygienekonzepte müssen flächendeckend Anwendung finden."

Die negative Entwicklung betrifft längst nicht mehr ausschließlich Mäster. Auch ferkelerzeugende Betriebe stehen zunehmend unter Druck, da den Mästern schlicht der Platz fehlt, um neue Tiere einzustallen. Das hat auch hier extreme Auswirkungen auf den Preis. Ferkel werden derzeit für 27 Euro gehandelt, am Spotmarkt werden sogar nur Preise von 10 bis 15 Euro bezahlt, während es 2019 noch über 70 Euro waren 

Hintergrund
Der Überhang an Tieren steigt jede Woche weiter an und der Platz in den Ställen wird knapp. Derzeit beträgt der Schlachtschweinestau deutschlandweit ca. 570.000 Tiere. Bis zum Jahresende wird ein Überhang von bis zu einer Million Tieren prognostiziert. Nach Schätzungen der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands fehlen wöchentlich rund 80.000 Schlachtungen, um zu verhindern, dass der Überhang weiter anwächst. Um den Überhang abzubauen, bedarf es noch weitaus mehr Kapazitäten. Würden die Schlachtbetriebe ihre Produktion wieder auf 100 Prozent ausweiten, wären wöchentlich wieder 100.000 Schlachtungen mehr möglich.

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