Bedeutung der Elektromobilität für die Galvano- und Oberflächentechnik

Die Automobilindustrie befindet sich in einem fundamentalen Strukturwandel. Hauptthema ist neben der Digitalisierung bzw. dem autonomen Fahren und dem allgemeinen Mobilitätswandel die Elektromobilität, also der Wandel der Antriebstechnologie, weg vom Verbrennungsmotor hin zu einem Elektroantrieb. Wichtigster Treiber hierfür sind die von der EU beschlossenen Emissionsvorgaben für Neufahrzeuge, die immer niedrigere Grenzwerte für den CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotten festschreiben. Die Vorgaben sind jedoch mit klassischen Antriebsformen nicht zu erreichen. Vor dem Hintergrund der knappen Zeit, bis empfindliche Strafzahlungen bei Nichteinhaltung drohen, konzentrieren sich die Hersteller aktuell vornehmlich auf die Entwicklung von batteriebetriebenen E-Fahrzeugen.
Der Trend zur Elektromobilität ist zwar nicht weltweit gleich ausgeprägt, aber vor allem in China, dem weltweit größten Automobilproduzenten und Wachstumsmotor für die Autoindustrie, hat sich aufgrund staatlicher Förderung ebenfalls ein starker Markt für E-Mobile entwickelt.
Technologische Herausforderungen
Verschiedene Wege führen zur Elektrifizierung des Fahrzeugs. Zu unterscheiden sind hier Hybride, die für den Antrieb einen herkömmlichen Verbrennungsmotor mit einem Elektromotor und einer kompakten Hochleistungsbatterie verbinden, Plug-in-Hybride mit einem kombinierten Antrieb aus Verbrennungsmotor und E-Maschine sowie einer über das Stromnetz aufladbaren Batterie und reine, batteriebetriebene Elektromotoren. Bei den reinelektrischen Fahrzeugen ist weiterhin zu unterscheiden zwischen den „Battery Electric Vehicles“ (BEV), die über ein Ladekabel aufgeladen werden, und den „Fuel Cell Electric Vehicles“ (FCEV), die mit Wasserstoff betankt werden, der in der an Bord befindlichen Brennstoffzelle den Strom für die Elektromotoren produziert.
Neben einer besseren Umweltbilanz müssen die neuen Technologien gleichzeitig dieselbe oder sogar eine bessere Performance aufweisen, als die herkömmlichen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Bereits 1899 gab es vollelektrische Fahrzeuge, die sich aber nicht durchgesetzt haben. Die damaligen Probleme waren mehr oder weniger die gleichen wie heute:
Anforderungen an die Oberflächentechnik
Die Elektromobilität ist mit einem Wegfall verschiedener Komponenten verbunden, gleichzeitig kommen aber auch einige hinzu, denn es besteht ein zunehmender Bedarf an elektrischen und elektronischen Komponenten wie elektrische Antriebsmotoren, Batterien, Ladesysteme, Sensoren, Steuerungstechnik und Steckverbinder. Verdeutlicht wird dieser Trend durch die aktuelle Verknappung an Halbleitern und Chips, die in der Automobilindustrie derzeit zu Produktionsausfällen führt.
Gesunken ist das globale Marktvolumen vor allem bei den klassischen mechanischen Elementen des Verbrennungsmotors.
Neue Komponenten sind vor allem bei der Batterie hinzugekommen (2020: 47,5 Prozent) sowie beim Elektromotor (16,2 Prozent), bei der Leistungselektronik (4,5 Prozent), bei der Verkabelung (3,5 Prozent) und bei sonstigen Adaptionen (1,8 Prozent). Insgesamt ist das weltweite Volumen im Komponentenmarkt 2020 um 60 Milliarden Euro gestiegen. Im E-Mobil werden außerdem etwa 10 Prozent mehr Verbindungselemente verbaut, als bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor.
Im Zuge der Gewichtsreduzierung sind immer dünnere Schichten bzw. Schichtsysteme bei gleichzeitig hoher Leistungsfähigkeit gefragt. Vor allem multifunktionale Schichten, die nicht nur einer Anforderung, sondern mehreren von gleicher Wichtigkeit gerecht werden. Diese Funktionen gilt es ohne Verschleißerscheinungen über die gesamte Lebensdauer zu erhalten: Korrosionsschutz; Optik, denn immer mehr Bauteile am Fahrzeug sind sichtbar; mechanische Beständigkeit; tribologische Eigenschaften; Reibwert, um Dinge problemlos verbinden, aber auch wieder lösen zu können, und insbesondere die elektrische Leitfähigkeit. Denn gerade bei Elektrofahrzeugen muss zur Masseanbindung Strom übertragen werden. Gefragt sind zuverlässige, stabile elektrische Eigenschaften, auch unter korrosiver und mechanischer Belastung. Hier stellt sich allerdings die Frage, wie leitfähig die bestehenden Oberflächen eigentlich sind. Felderfahrungen fehlen weitgehend. Es gilt, den Status quo zu ermitteln.
Bei den Schichtsystemen liegt besonderes Augenmerk auf Zink und Zinklegierungen. Außerdem sind neue Passivierungen und Topcoats gefragt, die Anforderungen beispielsweise hinsichtlich Überlackierbarkeit oder Reibung erfüllen.
Fazit
Die E-Mobilität wird kommen. Welche Technologie sich letztlich durchsetzen wird, hängt von vielen Faktoren wie Rohstoffen oder Akzeptanz des Kunden ab. Die Oberflächentechnik wird in diesem Zusammenhang mit immer neuen Anforderungen konfrontiert: Leichtbau, Materialmix, Leitfähigkeit und Widerstandsverhalten, … in einem Bereich, in dem wenig Erfahrungswerte existieren. Es gibt viel zu lernen und viele Probleme zu meistern – und die Branche stellt sich diesen Herausforderungen und arbeitet an Lösungen. Die Umsetzung ist jedoch langwierig, da bis zum Jahr 2032 weltweit immer noch rund 50 Prozent der gebauten Fahrzeuge „nur“ mit einem Verbrennungsmotor ausgerüstet sein werden.
Über die Galvano- und Oberflächentechnik:
Die Galvano- und Oberflächentechnik ist eine mittelständisch geprägte Industriebranche, die europaweit rund 440.000 Mitarbeiter beschäftigt, davon 50.000 in Deutschland. Allein in Deutschland erwirtschaftet die Branche einen Umsatz von ca. 7,5 Mrd. EUR. Die Struktur der Galvanobetriebe wird dabei von KMUs dominiert, nur ein geringer Anteil der Betriebe erreicht Größen von mehr als 100 Mitarbeitern. Die Oberflächenbranche ist eine Schlüsselindustrie, deren Dienstleistung Voraussetzung für die Funktionalität von Bauteilen, Geräten und Maschinen nahezu jeder anderen Branche ist. Die Galvanotechnik verhindert dabei jährlich Korrosionsschäden von ca. 150 Mrd. EUR. Galvanotechnik ermöglicht eine zuverlässige Funktionalität einer Vielzahl unterschiedlichster Bauteile: Kein Auto verlässt mehr das Band, bei dem nicht wesentliche Teile oberflächenveredelt sind. Die moderne Medizintechnik ist ohne neuere Verfahren der Oberflächentechnik nicht denkbar, aber auch Bauwirtschaft und Sanitärindustrie, die Elektrotechnik und die Elektronikindustrie sowie die Flugzeugindustrie kommen ohne Oberflächenveredelung nicht aus.
Mehr Informationen: www.zvo.org
Der Zentralverband Oberflächentechnik e.V. (ZVO) vertritt die Interessen von Roh- und Verfahrenslieferanten, Anlagenherstellern, Komponentenherstellern, Dienstleistern, Beschichtern und Galvaniken der deutschen Galvano- und Oberflächentechnik. Seine Mitgliedsunternehmen sind im Bereich der Oberflächenveredelung mit Metallen oder Metallverbindungen aus flüssigen Prozessmedien tätig. Für Abnehmerindustrien, Politik und Behörden ist der ZVO zentraler Ansprechpartner zu wirtschafts-, umwelt-, energie- und bildungspolitischen Fragen mit Bezug auf Galvano- und Oberflächentechnik
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