Interview mit den Tagungspräsidenten: Dynamische Entwicklung und digitale Evolution in der Medizinischen Physik – Automatisierung, KI und ihre Umsetzung im klinischen Bereich

Vom 19. – 21.09.2021 kommen bei der Dreiländertagung Medizinische Physik der ÖGMP, der DGMP und der SGSMP Experten und Expertinnen aus der dem Fach sowie angrenzenden Disziplinen virtuell zusammen, um an drei spannenden Kongresstagen die neuesten Forschungsergebnisse, Spitzentechnologien sowie aktuelle Entwicklungen auf dem ständig wachsenden Fachgebiet zu diskutieren. Im Vorfeld des hochkarätigen Kongresses, der unter der wissenschaftlichen Leitung der Österreichischen Gesellschaft für Medizinische Physik organisiert wird, geben die beiden Tagungspräsidenten ao. Univ.-Professor Mag. Dr. Wolfgang Birkfellner, Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik, Medizinische Universität Wien und Univ.-Professor Dr. DI Dietmar Georg, Leiter der Medizinischen Strahlenphysik der Klinik für Radioonkologie, Medizinische Universität Wien, erste Einblicke in Highlights, Schwerpunkte und neue technologische Trends.  

Die Dreiländertagung Medizinische Physik der ÖGMP, der DGMP und der SGSMP bietet mit einem breiten Spektrum vielfältige Ansatzpunkte für einen spannenden wissenschaftlichen Austausch auf hohem Niveau. Welche besonderen Akzente und Schwerpunkte haben Sie mit dem umfassenden wissenschaftlichen Programm gesetzt?  

Dietmar Georg: Themen wie die Digitalisierung oder die Automatisierung durch den Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz, das heißt Themen, die uns auch im täglichen Leben beschäftigen, sind ein Schwerpunktthema, da deren Einsatz bereits die Klinik erreicht hat. Neben der kontinuierlichen Weiterentwicklung ist auch die Qualitätssicherung diese neuartigen computergestützten Methoden Aufgabe der Medizinphysik. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Magnetresonanztomographie, die nunmehr nicht nur in der Diagnostik, sondern auch der bildgeführten Radiotherapie eine bedeutende Rolle eingenommen hat. 

Sie haben auf rasante Weiterentwicklungen in der Medizinischen Physik durch die

Automatisierung, künstliche Intelligenz (KI) und deren Umsetzung im klinischen Umfeld hingewiesen. Welche Vorteile bieten die immer stärkere Digitalisierung und der zunehmende Einzug von KI in Diagnostik und Therapie?  

Dietmar Georg: Ich möchte hier beispielhaft aus dem Bereich der Radiotherapie die adaptive Radiotherapie ansprechen, in der sowohl anatomische Änderungen als auch Änderungen in der Tumorbiologie laufend berücksichtigt werden. Durch Berücksichtigung dieser Änderungen wird die Therapie schonender und/ oder effizienter. Der Arbeitsaufwand in der Bildgebung, Organsegmentierung und Therapieplanung ist für alle involvierten Berufsgruppen ohne Automatisierung nicht schaffbar und machbar.  

Das Tagungsprogramm umfasst das gesamte Spektrum der Medizinphysik von ionisierender und nichtionisierender Strahlung für Bildgebung und Therapie bis hin zu Strahlenschutz und Qualitätssicherung. Inwiefern ist Strahlenschutz gerade bei der Dreiländertagung ein wichtiges Diskussionsthema? Welche neuen Entwicklungen digitaler, sehr empfindlicher Strahlungsdetektoren werden vorgestellt?

Wolfgang Birkfellner: Die COViD 19 Pandemie hat uns gezeigt, wie relevant die Erfassung und Vernetzung von epidemiologischen Daten ist. In gewisser Weise ist das auch für die Dosiserfassung in der Radiodiagnostik und Nuklearmedizin sowie für die Therapieplanung in der Radioonkologie zutreffend. Der Trend zur statistischen Auswertung und zur Modellierung spiegelt sich in den zahlreichen Beiträgen zu Machine Learning und Artificial Intelligence wieder. Auch werden innovative Ansätze wie zum Beispiel die Dosisreduktion durch Trajektorienplanung in der interventionellen Computertomographie vorgestellt – und nicht zuletzt erlaubt die diesjährige Industrieaustellung auch einen Einblick in den Stand der Technik in der Physik der medizinischen Bildgebung. 

Hochkarätige Wissenschaftler aus der Medizinischen Physik und angrenzenden Disziplinen stellen neueste Forschungsergebnisse und Spitzentechnologien aus dem dynamisch wachsenden Gebiet der Medizinischen Physik vor. Welche besonderen Highlights erwarten Sie?  

Dietmar Georg: Sowohl Deutschland als auch die Schweiz haben seit mehr zwei Jahrzehnten Themenführerschaft in der Partikeltherapie inne, das Österreichische Teilchentherapiezentrum MedAustron ist seit mehr fünf Jahren im klinischen Betreib und ermöglicht Forschung mittels Teilchenstrahlen. Forschungsthemen wie die MR gestützten Protonentherapie, die in Wien und Dresden forciert wird, oder die Erforschung neuer Teilchenstrahlen wie Helium in Heidelberg sind international einzigartig. Ich freue mich speziell auf die Vorstellung neuer Ergebnisse in diesen Forschungsbereichen. 

Welche weiteren spannenden Themen der interdisziplinären Tagung sind besonders hervorzuheben? In welchen Bereichen gibt es neue Impulse

Wolfgang Birkfellner: Der Trend zur Digitalisierung ist seit mindestens dreißig Jahren ein Thema in unserem Bereich – auch im heurigen Programm bemerken wir mit Freude, daß der klassische Bereich unseres Fachgebiets – Dosimetrie, Therapieplanung, Qualitätskontrolle und Bildgebungstechnik – immer stärker mit innovativen technischen Entwicklungen aus dem Bereich der Informatik verschmilzt. Es ist nicht vermessen zu sagen, dass die Medizinische Physik von heute ein hochtechnologisches Forschungs- und Anwendungsgebiet geworden ist. 

Welche besonderen Chancen liegen in dieser Dreiländertagung Medizinische Physik? Was liegt Ihnen besonders am Herzen? 

Dietmar Georg: Das Wissenschaftsgebiet der Medizinphysik und der Beruf des Medizinphysikers und der Medizinphysikerin in Forschung oder in der Krankenversorgung ist nach wie vor nicht allgemein bekannt. Wir haben großen Anteil an den medizinischen Fortschritten durch Technologieentwicklung, aber auch durch Methodenentwicklung. Dies betrifft ganz besonders technologieabhängige medizinische Fächer wie die Diagnostik oder die Radiotherapie.  

Große Fachtagungen wie die Dreiländertagung helfen, die Visibilität der Medizinphysik zu erhöhen. 

Ein besonderes Augenmerk liegt auf Nachwuchswissenschaftlern. Welche besonderen Anregungen gibt es und inwieweit können gerade junge Forscher bei der Dreiländertagung von einer Vernetzung profitieren?

Wolfgang Birkfellner: Kein Fachgebiet kann innovativ und gesellschaftsrelevant sein, wenn nicht hinreichend Wert auf die Heranführung gut ausgebildeter Nachwuchskräfte gelegt wird. Unsere Fachgesellschaften widmen sich dem Thema der Ausbildung seit langer Zeit und es ist uns gelungen, hier Standards auf europäischem Niveau zu setzen. Dementsprechend haben wir durch gezielte Maßnahmen wie zum Beispiel eigene Fachsitzungen versucht, unseren jungen Kollegen hinreichende Präsentationsfläche und Freiraum zu bieten. 

Dietmar Georg: Unsere jungen Kollegen haben für ihre Ausbildung, aber auch für ihre Karrierewege   eigene Bedürfnisse. Es ist wichtig, diesen Bedürfnissen im Rahmen von Jahrestagungen einen Raum zu geben. Die herausragenden wissenschaftlichen Leistungen unserer jungen Kollegen werden mit dezidierten Preisen gewürdigt. Der länderübergreifende Austausch im Rahmen unserer Tagung wird besonders gepflegt. Es gibt beispielsweise eine Sitzung, in der die jeweiligen Ausbildungswege zum Medizinphysiker und zur Medizinphysikerin in Deutschland, Österreich und der Schweiz diskutiert werden.  

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