Von Kernthemen wie dem diabetischen Fuß und dem offenen Bein (Ulcus Cruris) über Wundliegegeschwüre (Dekubitus) bis hin zu großflächigen Verbrennungswunden stand erneut die komplexe, schlecht heilende Wunde im Fokus des 4. Nürnberger Wundkongresses. In fünf parallelen Programmsträngen mit Präsentationen neuer Forschungsergebnisse und Diskussionen aktueller Erkenntnisse für die Praxis zeigte sich die große Themenvielfalt des digitalen Kongresses. Ärzten und Pflegeberufen, Wissenschaftlern, Forschern, zertifizierten Wundtherapeuten und Fachgesellschaften gelang es, ihr Wissen auf neuestem Stand zu teilen und das professionelle Zusammenwirken der unterschiedlichen Disziplinen zu befördern, bekamen sie in zahlreichen Sitzungen und Seminaren detaillierte Einblicke in den medizinischen Fortschritt, aktuelle Studien, innovative Entwicklungen und verbesserte Techniken und tauschten sich über neue Erkenntnisse und Erfahrungen aus.
„Wundversorgung zwischen Kompetenz und Wissenschaft“
Dass kaum ein medizinisches Problem von derartiger Komplexität ist wie schlecht heilende Wunden, zeigte sich in der Vielfalt der interprofessionell zusammengesetzten Sessions mit diversen Fachdisziplinen und Pflegeberufen, dem Zusammenwirken von Forschung und Industrie und in aktuellen Diskussionen vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit Kostenträgern und politischen Weichenstellern.
Der gesamte Kongress war von der Besonderheit der Wundbehandlung erfüllt, dass bei Wunden das gesicherte, auf wissenschaftlichen Studien basierende Wissen nicht so ausgeprägt ist wie in anderen medizinischen Bereichen. Das Kongressmotto „Zwischen Kompetenz und Wissenschaft“ verwies auf die entscheidende Rolle der Erfahrung bei behandelnden Ärzte und der Pflege beim Herausfinden der zugrunde liegenden Erkrankungen, die zu der Wunde geführt haben. In vielen Präsentationen wurde veranschaulicht, welche verschiedenen Ursachen sich hinter der komplexen Symptomatik der Wunde verbergen können. Das breit aufgestellte wissenschaftliches Programm –von der Dermatologie, Venerologie, Verbrennungsmedizin über die plastische Chirurgie und Gefäßchirurgie bis hin zur Unfallchirurgie – verdeutlichte die Vielfalt der unterschiedlichen Disziplinen, die mit ihrer speziellen Expertise dazu beitragen, die für die Heilung entscheidende Ursache von Problemwunden herauszufinden und die tägliche Versorgung der Patienten zu verbessern.
Diagnostik chronischer Wunden, Lokaltherapie und weiterführende Diagnostik
Verschiedene Vorträge zeigten, dass chronische Wunden oft als Folge des Diabetes mellitus auftreten und die überwiegende Ursache problematischer Wunden in den Blutgefäßen liegt. In einer speziellen Session wurden immunologisch bedingte Wunden vorgestellt. Schon der Gedanke, in einer Immunerkrankung eine mögliche Ursache für eine problematische Wunde zu sehen, könnte zur richtigen Diagnose beitragen und damit der erste Schritt einer adäquaten Therapie sein.
Im gesamten Spektrum der Wundbehandlung, in allen Bereichen der dermatologischen und arteriellen sowie venösen Erkrankungen, bei Arterieller Verschlusskrankheit (AVK), aber auch bei Verbrennungswunden und posttraumatischen Wunden, wurde ein entscheidender Aspekt für eine erfolgreiche Wundbehandlung deutlich: Auf die Diagnose der chronischen Wunde und die angepasste Lokaltherapie sollte eine weiterführende Diagnostik folgen, in der als Ursache für die Wunde die zugrunde liegende Erkrankung festgestellt wird, um die richtige Therapie einzuleiten.
S3-Leitiline zur Lokaltherapie chronischer Wunden als Orientierungshilfe
Die lokale Wundtherapie und das weite Feld der Wundauflagen waren ein weiterer wichtiger Tagungsschwerpunkt. Neue Empfehlungen und vorgesehenen Änderungen der S3-Leitlinie zur Lokaltherapie chronischer Wunden, von vielen Teilnehmern mit Spannung erwartet, wurden vorgestellt und diskutiert. Der aufwändige von der AMWF überwachte Überarbeitungsprozess, der von der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung e. V. in Kooperation mit anderen Fachgesellschaften nach systematischer Literaturanalyse aktuell durchgeführt wird, war zum Kongressbeginn noch nicht abgeschlossen, brachte in der Diskussion aber wichtige neue Impulse.
Mit dem Ziel, eine Orientierungshilfe bei der Auswahl der Wundauflagen zu bekommen, ging es in den aktuellen Vorträgen unter anderem auch um hochwirksame neue Behandlungsmöglichkeiten wie maßgeschneiderte Wundauflagen aus biomedizinisch einsetzbaren, hautähnlichen Materialien. Prof. Storck betonte, dass die neue Leitlinie nicht nur mehr Sicherheit bei der Auswahl der Wundauflagen gibt, sondern auch die erforderliche hochwertige Ausbildung und Weiterbildung einfordert und außerdem „Dinge anspricht, die man nicht mehr tun soll, zum Beispiel Wundspülungen mit Leitungswasser oder Wasserstofflösungen, mit Zinkleimverbänden oder Farbstoffen“. Auch die Leitlinie der European Wound Management Association (EWMA) und weitere Konsensus-Statements wurden vorgestellt und besprochen, zum Beispiel das Exsudatmangement.
Biologicals wie Fischhautmatrix und Spinnenseide und der Kampf gegen Wund-Biofilme
Sogenannte „Biologicals“ waren ein großes Thema beim WUKO. Die Vorteile von Fischhautmatrix, medizinisch aufbereiteter Fischhaut vom Kabeljau, in den USA zum Decken von Problemwunden schon häufig die Therapie der ersten Wahl, kommen in Deutschland den Patienten eher selten zugute, da die Behandlung von den gesetzlichen Krankenkassen noch nicht übernommen wird. Die schnellere Abheilung der Wunde, Vermeidung von Folgekosten und das Wohl des Patienten sind Vorteile, zu denen eine europäische randomisierte klinische Studie vorgestellt wurde. Weitere hochwirksame Innovationen in der Wundtherapie wie „biodegradable matrices“ auf Seidenbasis wurden diskutiert, die nach der Zulassung als Medizinprodukte in der klinischen Praxis angewendet werden. Der Bereich der translationalen Wundforschung wurde von Prof. Dr. Ewa Klara Stürmer, Hamburg, abgedeckt, der deutschlandweit führenden Expertin für die Basisforschung mit klinischem Bezug und dem Ziel, dass neue Forschungsergebnisse zur verbesserten Wundheilung möglichst schnell für die Patienten nutzbar gemacht werden.
Ein besonderer Tagungsschwerpunkt war der Kampf gegen Wund-Biofilme. Von Frau Prof. Stürmer als „Herausforderung dieses Jahrzehnts“ bezeichnet, verhindern Biofilme in der Wunde die Wirksamkeit hoch effektiver und bewährter Wund-Desinfektionsmittel. Indem es den zugrundeliegenden Bakterien gelingt, sich in ein Protein-Zucker-Gemisch „einzumauern“, die sogenannte extrapolymere Substanz (EPS), haben selbst hochwirksame antimikrobielle Substanzen kaum eine Chance, in den Wund-Biofilm einzudringen und die Bakterien unschädlich zu machen. Neu entwickelte Kombinationsprodukte wurden vorgestellt, die die EPS zunächst aufspalten, bevor dann in einem zweiten Schritt die Bakterien von einer antimikrobiellen Substanz abgetötet werden. „Bei der Bekämpfung von Wund-Biofilm ist ein Umdenken in der antibakteriellen Therapie notwendig“, wie Frau Prof. Stürmer betonte.
Gefäßmediziner spielen entscheidende Rolle in der Wundversorgung
Durchgängig trug der zweitägige Fachkongress die Handschrift des Gefäßmediziners und zugleich Präsidenten des Deutschen Wundrates: Prof. Storck setzte in seinem Bereich einen deutlichen Schwerpunkt. Die bei chronischen Wunden der unteren Extremitäten bis zu 80 Prozent gestörte Durchblutung infolge von Gefäßerkrankungen verdeutlichte die entscheidende Rolle von Gefäßspezialisten bei der Behandlung chronischer Wunden. Wie die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin mit ihrer Kampagne „Ihre Wunde in unsere Hände“ unterstreicht, liegt bei Wunden, die trotz angemessener Behandlung innerhalb von 6 Wochen nicht verheilt sind, in den meisten Fällen eine Erkrankung der Venen und Arterien zugrunde. Schon jetzt ist absehbar, dass Gefäßspezialisten in den nächsten Jahrzehnten in steigendem Maße im Bereich der Wundversorgung gefragt sein werden – unter anderem auch, weil Arteriosklerose als Volkskrankheit aufgrund des demografischen Wandels weiter auf dem Vormarsch ist.
Spannende Round Table-Diskussion zu Wirkungsnachweisen von Wundauflagen
Einer der Höhepunkte des Kongresses war die interprofessionelle Round Table-Diskussion zum brisanten Thema „Gesetzliche Grundlagen zum Wirkungsnachweis von innovativen Wundauflagen“. Die Umsetzbarkeit dieser Verordnung und ihre Bedeutung für die zukünftige Wundversorgung wurden aus verschiedenen Perspektiven von hochkarätigen Experten wie Prof. Dr. med. Martin Storck, Karlsruhe, Frau Prof. Dr. Ewa Klara Stürmer, Hamburg, Prof. Dr. Matthias Augustin, Hamburg, Prof. Dr. Joachim Dissemond, Essen, Frau Cornelia Erfurt-Berge, Erlangen, Frau Veronika Gerber, Spelle, Dr. Thomas Karl, Bad Friedrichshall, und Dr. Karl-Christian Münter, Hamburg, problematisiert. In der überaus spannenden Diskussion, wie der Spagat zwischen gesetzlichen Auflagen und Wirkungsnachweis gelingen kann, zeichneten sich erste Schritte für ein gemeinsames Vorgehen ab.
Digitalisierung in der Wundtherapie – Vom Minimum zum Optimum
Gerade in der Wundversorgung, bei der das Aussehen der Wunde eine wichtige Rolle spielt und deren Verlauf sich kaum besser dokumentieren lässt als durch Bilder, spielt die Digitalisierung eine entscheidende Rolle. Die imponierenden Präsentationen technischer Standards zeigten neben einem Foto der Wunde auch verschiedene Parameter wie etwa Wundtiefe oder pH-Wert und erfassten auch routinemäßige Untersuchungsintervalle, bei denen die Aufnahmen zur besseren Vergleichbarkeit jeweils den exakt gleichen Abstand bei gleicher Ausleuchtung aufweisen.
Die Vorteile eines umfassenden elektronischen Wunddokumentationssystems für alle Beteiligten waren Gegenstand lebhafter Diskussionen. Doch zeigten sich neben den neuen Möglichkeiten auch große Schwierigkeiten, eine einheitliche Digitalisierung in der Wundtherapie auf den Weg zu bringen. Denn trotz des eingeführten Minimalstandards nach den Prinzipien der Telematik liegen noch viele Hürden vor einer deutschlandweiten intersektoralen Dokumentation, wie zum Beispiel die bisherigen vier nicht miteinander kompatiblen Krankenhaus-Dokumentationssysteme.
Verschiedene Präsentationen zeigten eine effektive Versorgung von Patienten mit chronischen Wunden, wenn Hausarzt, Fachärzte und Pflege sektorenübergreifend zusammenarbeiten. Vor allem in regionalen Wundzentren war die Versorgung der Patienten gut: Es wurde deutlich, dass – sobald es zu einer Verschlechterung kommt, Schmerzen auftreten oder wieder neue Wunden entstehen –,
eine interdisziplinäre Kooperation die bestmögliche Chance bietet, die Ursachen schnellstens herauszufinden und zu behandeln.
Ausblick: WUKO 2022
Bisher sind es 2,7 Millionen Menschen, die in Deutschland an chronischen Wunden leiden, Tendenz steigend. Bei immer mehr älteren Menschen sind schlecht heilende Wunden nach langjährigen Durchblutungsstörungen ein Problem, wie der überaus spannende WUKO 2021 eindringlich zeigte. Die neuen Erkenntnisse werden für die Kongressteilnehmer auch in den nächsten Wochen noch in den Präsentationen „on demand“ abrufbar sein. Eine Fortsetzung der Diskussionen mit neuen Anregungen in allen Bereichen ist zum 05. Nürnberger Wundkongress 2022 zu erwarten, zu dem Frau Prof. Dr. Ewa Klara Stürmer als Kongresspräsidentin schon jetzt herzlich einlädt.
Weitere Informationen sind auf der Kongress-Homepage www.wuko2022.de abrufbar.
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