Mehr als 350.000 chemische Stoffe befinden sich weltweit im Umlauf. Hierzu zählen Kunststoffe, Pestizide, Industriechemikalien, Chemikalien in Produkten, Antibiotika und andere pharmazeutische Erzeugnisse. Eine ausreichende Bewertung und Regulierung dieser Stoffe ist aufgrund fehlender Daten häufig nur schwer möglich.
„Die Ergebnisse dieser Studie sind über alle Maßen beunruhigend“, erklärt BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock. „Wir vergiften unseren Planeten und treiben so das Artensterben und die Klimakrise weiter voran.“ Pestizide töten nützliche Insekten, Fluorchemikalien bleiben ewig in der Umwelt, hormonelle Schadstoffe gefährden die Fortpflanzung von Tieren.
Industriegifte wie Fluorchemikalien und Pestizide werden von Wind und Wasser über den ganzen Globus verteilt, kontaminieren das Grundwasser und überdauern Jahrzehnte bis Jahrhunderte. Sie finden sich in der Arktis, in den Ozeanen und im Hochgebirge ebenso, wie in Menschen, Tieren und Pflanzen. Besonderes Augenmerk gilt Chemikalien, die wie Hormone wirken und die Fortpflanzungsfähigkeit vieler Tierarten gefährden. Zudem ist die Chemieindustrie der Industriesektor mit dem höchsten Energieverbrauch.
Nahezu alle Grundchemikalien und Plastiksorten werden auf Basis von fossilen Rohstoffen hergestellt, vor allem Erdöl und Erdgas. Etwa alle 10-12 Jahre verdoppelt die globale Chemieindustrie ihre Produktion. Der deutsche Chemiekonzern BASF ist nach Umsätzen der weltweit größte Konzern. „Weiter ungebremst riskante Stoffe in die Umwelt zu pumpen wäre, wie mit offenen Augen auf einen Abgrund zuzurennen. Wir brauchen einen nachhaltigen Umbau der Chemieindustrie mit Chemikalien „Safe by design*“, so die BUND-Vertreterin. „Darüber hinaus muss die Produktion von Chemikalien und Plastik und der damit verbundene Ressourcenverbrauch erheblich reduziert werden. Ein erster Schritt dahin ist das Verbot von langlebigen Schadstoffen wie etwa Fluorchemikalien.“
Zu den Risiko-Chemieprodukten gehören auch die meisten Plastikmaterialien, die wegen ihrer Langlebigkeit in der Umwelt als besonders problematisch angesehen werden. „Müllstrudel in den Weltmeeren oder der Export von Plastikmüll in andere Länder, sind nur die sichtbare Spitze des weltweiten Plastikberges“, erklärt Manuel Fernandez, BUND-Experte für Chemikalienpolitik. „Wir brauchen global verbindliche Vereinbarungen, um die chemische Verschmutzung zu stoppen. Und dafür braucht es, ähnlich wie bei Klima- und Artenschutz, ein neues völkerrechtlich verbindliches Übereinkommen für nachhaltiges Chemikalien-, Stoffstrom- und Abfallmanagement.“
*Safe by Design: Chemikalien werden so konzipiert, dass sie in der Umwelt leicht abgebaut werden und weder krebserregend, erbgut- oder fortpflanzungsschädigend oder hormonell schädlich sind. Das EU-Konzept dazu heißt vollständig "Safe and Sustainable by Design"
Informationen zur Studie: Planetare Belastungsgrenze für neue Substanzen
„Outside the Safe Operating Space of the Planetary Boundary for Novel Entities”, zu Deutsch „Außerhalb des sicheren Handlungsraums bei der planetaren Belastungsgrenze für neue Substanzen”, heißt die erste Studie, die das planetare Ausmaß der Umweltverschmutzung durch Chemikalien und Plastik quantifiziert. Erstellt von einem internationalen Forschungsteam von 14 Wissenschaftler*innen aus Großbritannien, Schweden, Dänemark und der Schweiz.
Zur Bestimmung der Umweltbelastung, wurden verschiedene messbare Faktoren kombiniert, darunter rasant steigende Produktionsmengen für Chemikalien, das Ausmaß ihrer Freisetzung und welchen Anteil Stoffe mit gefährlichen Eigenschaften wie Langlebigkeit und Mobilität daran haben.
Fazit der Studie: Natürliche Prozesse sind nach Ansicht der Autor*innen zunehmend beeinträchtigt und die Stabilität des Systems Erde gefährdet. Demnach hat die Menschheit im Umgang mit gefährlichen Stoffen den sicheren Handlungsraum verlassen und die planetare Belastungsgrenze überschritten. Es brauche eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, die den Einsatz von Primärrohstoffen erheblich reduziert sowie Obergrenzen für die Chemikalienproduktion.
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