Landesforsten auf neuen Wege beim praktischen Artenschutz

Ungewöhnliche Hilfe für Fledermäuse im Harz – Sicherungsverwahrte schaufeln einen alten Bergwerksstollen frei und schaffen ein angenehmes Klima beim Winterschlaf. Denn wer monatelang den kalten Winter verschläft, braucht zumindest ein gesundes Klima. Das wissen Fledermausexperte Siegfried Wielert und Naturschutz-Förster Jörg Sonnabend. Die Fachleute für Fledermausschutz holten sich Hilfe aus der JVA Rosdorf, um im schwierigen Gelände den Eingang eines Bergwerksstollen freizulegen. Insgesamt acht Arbeitseinsätze waren nötig, bis die Zugänge in den Berg wieder frei waren. Jetzt kann das Wasser aus dem Stollen besser abfließen und die Luft zirkulieren – ein positives Klima für die überwinternden Fledermäuse, die kopfüber die kalte Jahreszeit schlafend verbringen.

Beschäftigung für Sicherungsverwahrte im praktischen Artenschutz

Lars Kasper ist als Mitarbeiter der JVA-Rosdorf auf der Suche nach geeigneten Beschäftigungen für die in Rosdorf einsitzenden Sicherungsverwahrten. Der Projektleiter suchte den Kontakt zu Förster Jörg Sonnabend und gemeinsam mit dem Fledermaus-Regionalbetreuer Siegried Wielert entstand so das Artenschutzprojekt im Forstamt Riefensbeek. Dort befinden sich die beiden freigelegten Stollen. Schon lange überwintern darin Fledermäuse, berichtet Wielert. Seit 1950 lägen Daten von diesen Quartieren vor, für den Fledermausschutz eine lange und ungewöhnliche Erhebungsreihe, betont der Regionalbeauftragte. Wielert besorgte die Genehmigung der unteren Naturschutzbehörde im Landkreis Göttingen. Die Behörde finanzierte die Gittertore, mit denen die Stolleneingänge vor unerwünschten Besuchern verschlossen wurden.

Die Försterei Kamschlacken ist reich bestückt mit alten Bergwerksstollen und ein beliebtes Fledermaus-Revier. Hier fließen naturnahe Bäche wie die Söse, die von altem Baumbestand begleitet wird. Solche Bachläufe aber auch Forstwege und Waldränder nutzen die Flugtiere als Leitlinien bei ihrer nächtlichen Jagd auf Insekten.

Händische Grabearbeit in schwierigem Gelände mit Schaufel, Hacke und Eimer

Im mehrtägigen Einsatz waren jeweils bis zu vier Sicherungsverwahrte aus der JVA Rosdorf bei den Niedersächsischen Landesforsten. Zusammen mit Projektleiter Lars Kasper räumten sie beim ersten Stollen in zwei Tagen anstrengender, händischer Arbeit den Verbruchkegel im Mundloch und den Wasserabflussgraben (bergmännisch: Rösche). Nur mit Hacke, Schaufel und Eimer ausgestattet legten sie einen etwa acht Meter langen Graben frei.
Beim zweiten Stollen war noch erheblich größerer Arbeitsaufwand zu bewältigen. Hier dauerte der händische Arbeitseinsatz insgesamt sechs Tage. Dabei musste neben der Beseitigung des erheblich größeren Verbruchkegels im Mundloch noch die Rösche davor auf einer Länge von rund 18 Metern um bis zu 1,2 Meter ausgeräumt werden. Am Ende war das erste Projektziel erreicht. Dieses lautete:
”Wiederherstellung eines klimatisch günstigen Zustands des Stolleninneren durch Gewährleistung des ständigen Wasserabflusses und des ursprünglichen, wetterwirksamen Stollenquerschnitts im Mundloch für die dort überwinternden Fledermäuse“.

Beide Mundlöcher nutzen Fledermäusen seit Jahrzehnten als beliebte Winterquartiere. Alle einheimischen Fledermäuse stehen unter strengem Artenschutz nach europäischem und deutschem Recht.

Riefensbeeker Fledermäuse überwintern ab sofort hinter schützenden Gittern

Nach Abschluss der händischen Grabearbeiten baute eine Fachfirma aus St. Andreasberg vor beide Mundlöcher einen neuen, fledermausgerechter Gitterverschluß. Eine vor Ort angebrachte Hinweistafel erläutert kurz den Sinn und Zweck des Verschlusses. Damit ist auch das zweite Projektziel, die Sicherung der Quartiere vor unbefugtem Betreten und zum Schutz der dort überwinternden Fledermäuse und anderer Tiere erreicht.

Im ersten Stollen konnten, jahreszeitlich bedingt, noch keine Fledermäuse nachgewiesen werden. Dafür fanden die Helfer drei Feuersalamander, welche ebenso in solchen Quartieren überwintern. Im zweiten Stollen waren bei Projektende bereits 11 Fledermäuse (4 Mausohren, 4 Wasserfledermäuse und 3 Bartfledermäuse) und ein Feuersalamander eingezogen.
Siegfried Wielert und Jörg Sonnabend dankten allen Beteiligten für die Unterstützung dieser nicht alltäglichen Arbeiten zum Schutz heimischer Fledermäuse.

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