„Seit zweieinhalb Jahren befinden wir uns in einer juristischen Grauzone“, erklärt Dr. Franz-Josef Esser, Leiter der Stabsstelle Ethikkomitee und palliativmedizinische Versorgung der St. Augustinus Gruppe, bei der Vorstellung des Positionspapiers, das er als wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs bezeichnet. „Wir haben Sorge, dass das Gesetz missbraucht wird. Mit unserem Positionspapier wollen wir vermeiden, dass es zu einer Normalisierung von assistiertem Suizid in unserer Gesellschaft kommt.“ Das knapp 20-köpfige Ethikkomitee des Gesundheitsdienstleisters arbeitete ein Jahr lang an seiner Haltung zum assistierten Suizid – auch, um den Mitarbeitenden in ihren Einrichtungen eine Hilfestellung zum Umgang mit jenen Menschen zu geben, die sich ihnen mit einem Sterbe- oder Suizidwunsch anvertrauen. „Manche wollen nicht weiterleben, meinen aber damit, dass sie so wie im Moment nicht weiterleben wollen“, berichtet Esser. „Für uns gilt es, die Motive für den Sterbewunsch herauszufinden, körperliches und seelisches Leid zu behandeln und therapeutisch und seelsorgerisch zur Seite zu stehen. Wir möchten Alternativen zu einem Suizid aufzeigen sowie neue Hoffnungsperspektiven eröffnen: Möchte jemand nur anderen nicht zur Last fallen, ist er einsam, oder depressiv?“
Hier setzt die St. Augustinus Gruppe klar auf Prävention und jede nur mögliche Hilfe, aber nicht auf aktive Unterstützung bei der Selbsttötung: „Wir werden uns weder an der Organisation noch an der Durchführung eines assistierten Suizids beteiligen“, stellt Palliativmediziner Esser klar. „Auch Informationsveranstaltungen von Sterbehilfe-Organisationen wird es in unseren Einrichtungen nicht geben. Mitarbeitende können aber beispielsweise – nach umfassenden Fallbesprechungen im Team und mit den Vorgesetzten – Informationen zu Beratungsstellen an ernsthaft Sterbewillige weitergeben.“ Während assistierter Suizid in Krankenhäusern und psychiatrischen Kliniken nicht stattfinden soll, ist die Lage in Einrichtungen für Senioren und Menschen mit Behinderung diffiziler: Sie haben Wohnraum gemietet, und dieser ist per Gesetz unverletzlich. Im Klartext: Hier wäre ein durch Externe durchgeführter assistierter Suizid nicht auszuschließen. Daher betont Esser: „Auch diese Menschen wollen wir nicht alleine lassen, sondern ihnen, wenn sie es wünschen, im Sinne einer liebevollen Sterbebegleitung beistehen. Den Mitarbeitenden ist dabei freigestellt, ob sie dabei sein möchten oder nicht.“
Die 16 Seiten des Positionspapiers sind geprägt vom christlichen Geist des Unternehmens und seinen Trägergrundsätzen. „Wir sind ja seit jeher mit schwierigen Situationen am Lebensende konfrontiert“, führt Esser aus, „aber jetzt haben wir die Diskussion noch einmal breit in die Mitarbeiterschaft getragen, sehr intensiv erörtert und viele Rückmeldungen erhalten.“ Die Politik, so der 63-Jährige, erwarte solche Auseinandersetzungen. Daher könne das jetzt vorliegende Ergebnis der St. Augustinus Gruppe, das auf Prävention, Verständnis, Hilfe und Respekt fußt, auch anderen Unternehmen als Blaupause dienen: „Wir respektieren Menschen, die trotz aller Bemühungen bei ihrer Haltung bleiben und den assistierten Suizid wünschen. Aber wir werden die Handlung selbst nicht unterstützen.“
Ende November wird sich der Rechtsausschuss des Bundestages erneut mit den Gesetzentwürfen beschäftigen. Mit dem überarbeiteten Gesetzt rechnen Fachleute nicht vor Frühjahr 2023. Bis dahin bleibt die Rechtslage vage – eindeutige Positionen und Handlungsanweisungen wie das nun vorgestellte Papier bilden daher wichtige Leitplanken für Menschen in Gesundheits- und Sozialunternehmen: Patienten, Klienten, Bewohner und Mitarbeiter.
Das Postionspapier und weitere Fragen und Antworten zum Thema finden Sie auf der eigens eingerichteten Website: wirlassenniemandenallein.de
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