Aus Sicht der kommunalen Wasserwirtschaft beinhaltet die Überarbeitung der Richtlinie einen überfälligen Paradigmenwechsel: Verursacher von Gewässerbelastungen sollen über eine erweiterte Herstellerverantwortung sowohl in die Pflicht genommen werden, schädliche Stoffe gar nicht erst in Verkehr zu bringen oder ihren Einsatz zu verringern, als auch finanzielle Verantwortung übernehmen. Aus Sicht der kommunalen Wasserwirtschaft ist das ein zwingender Schritt, wenngleich sich der Umweltausschuss für eine sogenannte 80/20-Regelung entschieden hat. 80 Prozent der Kosten tragen die Hersteller, für die restlichen 20 Prozent soll es eine nationale Finanzierung geben, deren Ausgestaltung den Mitgliedstaaten überlassen bleibt. Aus unserer Sicht sollte das Verursacherprinzip konsequent umgesetzt werden. Wichtig ist deswegen, dass der Umweltausschuss am Vollkostenansatz festhält.
Die erweiterte Herstellerverantwortung ist wesentlich dafür, um die Umsetzung neuer Vorgaben und Anforderungen an Kläranlagen zu finanzieren. Deswegen begrüßen wir, dass der Ausschuss beides eng verzahnen will. Eine vierte Reinigungsstufe kann abhängig von den jeweiligen örtlichen Bedingungen sinnvoll und wirksam sein. Allerdings steckt der Teufel im Detail. Welche Anlagen konkret für eine wirksame Spurenstoffreduzierung geeignet sind, muss sorgfältig geprüft werden. Wenn mehr Technik verbaut werden muss, dann bedeutet das hohe Investitionskosten und einen größeren Energieeinsatz. Diese Energie sollen Abwasserbetriebe vollständig klimaneutral selbst erzeugen. Das ist bei vielen Betrieben aufgrund der begrenzten Flächen und Anlagentechnik schlichtweg nicht möglich. Der VKU setzt sich daher für eine gleich wirksame, aber praktikable Lösung ein, indem die Betriebe ihre Klimaneutralität durch den Zukauf von erneuerbarer Energien erreichen. Der Fokus auf Energieeffizienz und Klimaschutz in der Abwasserentsorgung ist grundsätzlich richtig. Die Möglichkeiten der Betriebe müssen dabei realistisch eingeschätzt werden. Und Priorität muss immer eine wirksame Abwasserreinigung haben.
Nächste Schritte:
Nach der Ausschussabstimmung folgt Anfang Oktober noch die Plenarabstimmung, mit der sich das Parlament offiziell positionieren wird. Wenngleich noch Änderungen möglich sind, sind gefundenen Kompromisse zwischen den Fraktionen richtungsweisend. Im Ministerrat dauern die Beratungen an. Nach Positionierung der Mitgliedsstaaten kann die Überarbeitung in die sogenannten Trilogverhandlungen gehen.
Kurzfassung:
Die Überarbeitung der Kommunalabwasserrichtlinie, zu der sich heute der Umweltausschuss des EU-Parlaments (ENVI) positioniert hat, legt sehr hohe Standards fest, um Schadstoffe in Flüssen, Seen, Grundwasser und Meeren zu reduzieren. Das funktioniert nur mit mehr Technik in Kläranlagen, die allerdings auch zu einen höheren Energieeinsatz in den Anlagen führt. Aus Sicht der kommunalen Wasserwirtschaft brauchen wir hier mehr Flexibilität, gerade was Fristen für die Nachrüstung von Kläranlagen und die geforderten Energieneutralitätsziele betrifft. Und wir brauchen eine Herstellerverantwortung, die Verursacher von Gewässerbelastungen in die Pflicht und finanzielle Verantwortung nimmt. Diese muss bei 100 Prozent liegen.
Der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) vertritt über 1.550 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit über 300.000 Beschäftigten wurden 2021 Umsatzerlöse von 141 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 17 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen signifikante Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 66 Prozent, Gas 60 Prozent, Wärme 88 Prozent, Trinkwasser 89 Prozent, Abwasser 45 Prozent. Die kommunale Abfallwirtschaft entsorgt jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und hat seit 1990 rund 78 Prozent ihrer CO2-Emissionen eingespart – damit ist sie der Hidden Champion des Klimaschutzes. Immer mehr Mitgliedsunternehmen engagieren sich im Breitbandausbau: 206 Unternehmen investieren pro Jahr über 822 Millionen Euro. Künftig wollen 80 Prozent der kommunalen Unternehmen den Mobilfunkunternehmen Anschlüsse für Antennen an ihr Glasfasernetz anbieten. Zahlen Daten Fakten 2023
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