In vielen Vergabeverfahren spielt Nachhaltigkeit keine Rolle
Wenn Mitte November der Arbeitskreis Straße/Brücke der BVMB in Sulzbach tagt, wird erneut das Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle spielen. „Es ist nicht so, dass die mittelständischen Bauunternehmen hier nicht längst am Ball wären und aktiv daran arbeiten, das Bauen noch nachhaltiger zu gestalten“, stellt Daniel Jonas klar. Im Gegenzug weist er darauf hin, dass vor allen Dingen bei den öffentlichen Auftraggebern, die in einer Vorbildfunktion stehen, das Thema Nachhaltigkeit vielfach noch ein Schattendasein führt.
„Der größte Hebel liegt im Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers und damit in der Bedarfsermittlung: Im Rahmen der Planung und der Aufstellung einer eindeutigen Leistungsbeschreibung können Umwelt- und Klimaaspekte einfließen. Es ist Sache des Auftraggebers, ob er bereits in dieser Phase umweltbezogene Aspekte berücksichtigt. Hiervon machen die öffentlichen Auftraggeber noch immer zu wenig Gebrauch“, so Jonas. Der Verband appelliert insoweit insbesondere an die öffentlichen Bauauftraggeber, mehr Mut zur Nachhaltigkeit an den Tag zu legen.
Auch ein aktuell diskutiertes „Schattenpreismodell“, bei dem der Angebotspreis mit einem fiktiven CO2-Preis beaufschlagt wird und dann der niedrigste Wertungspreis den Zuschlag erhalten soll, hält Jonas nur bedingt für ein geeignetes Instrument: „Das hört sich zunächst einfach an, könnte die Baufirmen aber über Gebühr belasten“. Im Detail würde das bedeuten, dass der Unternehmer neben seiner Kalkulation parallel eine weitere CO2-Kalkulation durchführen müsste, wenn er sich im Wettbewerb besserstellen möchte. Das würde unter Umständen einen erheblichen Mehraufwand bedeuten.
Nachhaltigkeit darf nicht zum Nachteil für Mittelstand werden
Aktuell, so Jonas weiter, kursieren zahlreiche Versuche, in der Bauwirtschaft mehr Nachhaltigkeit zu praktizieren. „Nicht alles, was derzeit so im Umlauf ist, ist aber tatsächlich für die Praxis umsetzbar“, kritisiert BVMB-Hauptgeschäftsführer Michael Gilka. Wenn etwa emissionsfreie Baumaschinen oder kurze Transportwege als Kriterien gefordert werden, fällt es überregional tätigen Großunternehmen in der Regel leichter, derartige Anforderungen zu erfüllen. „Nachhaltigkeit darf aber nicht zum Nachteil für die Baumittelständler werden. Sie sind es, die die große Stütze der deutschen Bauwirtschaft abbilden, und für sie trägt gerade der Staat eine hohe Verantwortung“, betont Gilka. Daniel Jonas ergänzt: „Aufwand und Nutzen müssen in vernünftigem Verhältnis stehen. Das gilt auch mit Blick auf den Prüfungs- und Kontrollaufwand beim Auftraggeber, der schnell sehr hoch werden kann – doch schon jetzt beklagen wir aufgrund sinkender Personalkapazitäten in der Verwaltung zu wenige Ausschreibungen. Es gilt daher mit Blick auf Nachhaltigkeitsaspekte die wesentlichen Hebel in einem Bauprojekt zu identifizieren. Die Angebote müssen über eindeutige Bewertungssysteme vergleichbar sein – und zwar schnell und einfach. Dazu wird die entsprechende Fachkompetenz in den ausschreibenden Stellen vorausgesetzt und auch ein Stück weit Risikobereitschaft“.
Nachhaltigkeit kostet Geld
Gilka gibt zu bedenken: „Die Haushaltslage ist vom Bund bis hinunter zu den Kommunen angespannt. Wir befürchten, dass das Geld, welches aktuell für Baumaßnahmen in den öffentlichen Haushalten zur Verfügung steht, nicht dafür ausreichen wird, um das gleiche Bauvolumen mit mehr Nachhaltigkeit umzusetzen“. Insoweit stelle sich die Frage, ob die Auftraggeber bereit seien, die zur Verfügung stehenden Mittel aufzustocken, um den Mehraufwand und die erhöhten Kosten zu vergüten. „Wird dann weniger für das gleiche Geld gebaut? Dann würde das Thema Nachhaltigkeit zum Rohrkrepierer für die Bauunternehmen werden – das kann nicht sein“, ergänzt Daniel Jonas.
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