Ein Mann erlitt während eines nächtlichen Spaziergangs eine schwere Fußverletzung, als er auf einer vereisten Fläche zu Fall kam. Ursächlich für den Unfall war das Überlaufen von Wasser aus einer Dachrinne, das sich auf dem Gehweg zu einer gefährlichen Eisfläche entwickelt hatte. Die Verletzung führte zu einer mehr als zweimonatigen Dienstunfähigkeit.
Die Berufsgenossenschaft, die die Kosten in Höhe von knapp 17.000 Euro für die Verletzungsfolgen übernommen hatte, zog vor Gericht, um diese Summe vom Hausbesitzer des für den Gehweg zuständigen Grundstücks zurückzufordern. Der Vorwurf lautete, der Hausbesitzer habe seine Verkehrssicherungspflicht vernachlässigt.
Der beauftragte Winterdienst konnte jedoch nachweisen, dass er gemäß den örtlichen Vorschriften den Gehweg am Tag des Unfalls mehrmals von Schnee und Eis befreit und mit Sand gestreut hatte. Dennoch bildete sich am Abend eine Eisfläche, deren Ursprung der Beauftragte nicht erklären konnte.
Das Gericht schloss sich nach sorgfältiger Beweisaufnahme der Sichtweise des Winterdienstes an. Der Deutsche Wetterdienst bestätigte, dass die Temperaturen zu der fraglichen Zeit bei mindestens minus zehn Grad lagen, wodurch die Eisbildung durch Schmelzwasser ausgeschlossen wurde.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Wasserbildung auf der Heizsituation des Hauses des Beklagten beruhte. Dennoch handelte es sich um eine außergewöhnliche und nicht vorhersehbare Gefahrensituation. Das Gericht betonte, dass eine absolute Verkehrssicherung, die jegliche Schädigung ausschließt, nicht realisierbar sei. Ein Verkehrssicherungspflichtiger müsse lediglich angemessene Vorkehrungen treffen, die unter den gegebenen Umständen erforderlich und zumutbar sind.
In diesem Fall hatten der Beklagte und der beauftragte Winterdienst die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um die Gefahr zu beseitigen. Daher wurden die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch als nicht gegeben betrachtet, und die Klage wurde vom Gericht als unbegründet abgewiesen.
Kommentar: Balance zwischen Haftung und Unvorhersehbarkeit
Das jüngste Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau wirft ein Licht auf die komplexen Fragen der Verkehrssicherungspflicht und der Haftung im Zusammenhang mit unvorhersehbaren Gefahren. Der Fall, in dem ein Passant auf einer vom Hauswasserablauf verursachten Eisfläche stürzte, verdeutlicht die Herausforderungen für Eigentümer und Verantwortliche im Umgang mit Naturphänomenen.
Das Gericht betonte die Unvorhersehbarkeit der Gefahr, die nicht auf Witterungsbedingungen, sondern auf der individuellen Heizsituation des Hauses basierte. Diese Nuance wirft wichtige Fragen auf, insbesondere in Bezug auf die realistische Erwartung von Hausbesitzern und Winterdiensten hinsichtlich der Verkehrssicherung.
Das Urteil unterstreicht auch die Grenzen der Verkehrssicherungspflicht. Das Gericht stellte klar, dass absolute Sicherheit vor allen denkbaren Gefahren nicht erreichbar ist. Stattdessen sollten Maßnahmen ergriffen werden, die unter den konkreten Umständen vernünftig und zumutbar sind.
Die Entscheidung des Gerichts zeigt eine ausgewogene Herangehensweise an die Frage der Haftung. In diesem Fall hatten der Hausbesitzer und der Winterdienst angemessene Maßnahmen ergriffen, um die Gefahr zu minimieren. Die Betonung der Unvorhersehbarkeit in diesem Kontext könnte einen Präzedenzfall schaffen und dazu führen, dass Verantwortliche nicht für alle denkbaren Szenarien haftbar gemacht werden können.
Es bleibt zu hoffen, dass dieses Urteil dazu beiträgt, klare Leitlinien für die Verkehrssicherungspflicht zu schaffen und die Balance zwischen Haftung und Unvorhersehbarkeit weiter zu definieren.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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