Abwertung von Mandeloperationen – „Wir steuern auf einen Notstand bei Kinder-OPs zu“

Mit großem Entsetzen nimmt der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte den Beschluss zur Weiterentwicklung des ambulanten Operierens ab 2023 zur Kenntnis. Darin haben GKV-Spitzenverband und Kassenärztliche Bundesvereinigung eine Absenkung der Vergütung für zahlreiche Eingriffe des HNO-Fachgebiets festgelegt. Von der Abwertung sind auch häufige Kinder-Operationen der Rachen- und Gaumenmandeln betroffen. „Diese Eingriffe sind bereits seit längerem nicht mehr wirtschaftlich erbringbar. Die Folge sind lange Wartezeiten für die kleinen Patienten.“ Der Beschluss des Bewertungsausschusses verschärfe die Lage zusätzlich, warnt Verbandspräsident Priv.-Doz. Dr. Jan Löhler. „Wir steuern auf einen Notstand bei Kinder-Operationen zu.“ Eine solche Entscheidung hätte niemals getroffen werden dürfen.

Mit Blick auf die aktuell desolate Versorgungslage für Kinder bundesweit sei es mehr als unverständlich, wie die Vertragspartner einen solchen Beschluss fassen können, so Löhler. „Wir sehen gerade am Beispiel des drohenden Kollapses der kinderärztlichen Versorgung und der Nichtverfügbarkeit von dringend benötigten Fiebermitteln, wohin die Sparpolitik der letzten Jahre geführt hat. Doch statt aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, steuern wir sehenden Auges auf den nächsten Zusammenbruch eines Versorgungsbereichs zu“, kritisiert HNO-Arzt Löhler. Dass Krankenkassen und KBV den Beschluss als „Meilenstein der Ambulantisierung“ feiern, könne von den betroffenen Familien sowie den vertragsärztlichen Operateuren nur noch als blanker Zynismus verstanden werden.

Durch den Beschluss werden unter anderem die Adenotomie mit Parazentese und Paukenröhrcheneinlage (Kategorie N1) sowie die Lasertonsillotomie (Kategorie N2), als zwei der häufigsten Operationen überhaupt, weiter abgewertet. Für eine Adenotomie-Operation zahlen die Krankenkassen künftig nur noch knapp 105 Euro. Eine Lasertonsillotomie kann ab kommendem Jahr nur noch mit etwa 170 Euro abrechnet werden. Gleichzeitig sind die Kosten für ambulante Operateure durch steigende Hygieneanforderungen, wachsende Raum-, Personal- und Materialkosten sowie die Inflation stark angestiegen. „Unter diesen Voraussetzungen können vor allem ambulante Operationen der unteren Kategorien schlicht nicht mehr erbracht werden. Dass davon vor allem Kindereingriffe betroffen sind, ist ein Skandal“, so HNO-Präsident Jan Löhler.

Während planbare Operationen bei Erwachsenen notfalls aufgeschoben werden können, habe eine Verzögerung bei Kindereingriffen oft nachhaltige Folgen, warnt Löhler. „Die kindlichen Eingriffe sind extrem notwendig für die betroffenen Kinder hinsichtlich kognitiver Störungen, Gedeihstörungen, Schlafstörungen mit Atemaussetzern und Sprachentwicklungs-verzögerungen. Auch zur Vermeidung rezidivierender Infekte, gerade in der aktuellen Jahreszeit, spielen die Operationen eine entscheidende Rolle“, so Löhler.

Schon jetzt müssen die kleinen Patienten auf eine Operation lange warten. Aktuell liege die Wartezeit in den Krankenhäusern bei sechs bis neun Monaten, in ambulanten OP-Zentren bei drei bis vier Monaten. „Gemessen an der Entwicklung eines Kindes, sind das exorbitant lange Wartezeiten und machen mehr als zehn Prozent der Lebenszeit bis zur Einschulung aus.“ Während diese Eingriffe in Krankenhäusern wegen der schlechten Bezahlung ohnehin gar nicht oder nur ungern ambulant erbracht werden, nehme ihre Zahl auch im ambulanten Bereich aufgrund der miserablen Wirtschaftlichkeit signifikant ab.

Als Sofortmaßnahme schlägt HNO-Arzt Löhler vor, den Bereich der HNO-ärztlichen Kindereingriffe aus der defizitären EBM-Systematik auszugliedern. „Da die Selbstverwaltung offenbar nicht Willens oder in der Lage ist, die Versorgung der kleinen Patienten sicherzustellen, muss die Politik hier dringend eingreifen und den Bereich der Kinder-Operationen aus dem AOP-Katalog herausnehmen und besser bewerten.“ Eine Möglichkeit sei, die Adenotomie sowie die Tonsillotomie in den kürzlich vom Gesetzgeber beschlossenen Bereich der neuen sogenannten Hybrid-DRG einzugliedern. Die Verhandlungen hierzu sollen bis 31. März 2023 zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und Kassenärzten abgeschlossen sein.

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