Duale Ausbildung bietet besten Start ins Berufsleben

Die duale Ausbildung bietet bessere Berufschancen denn je. Denn die Unternehmen brauchen junge, engagierte Fachkräfte, um die ökologische und die digitale Transformation gestalten zu können. Geeignete Bewerber sind daher stark gefragt. Das Ausbildungssystem reagiert auf solche neuen fachlichen Bedarfe der Unternehmen durch Anpassungen bestehender Berufsbilder oder durch neue Ausbildungsberufe. Im Ergebnis bietet das duale Ausbildungssystem so einen hervorragenden Einstieg in den Beruf sowie beste Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten. Wie die Lage am Ausbildungsmarkt der Region derzeit aussieht, stellten die Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald und die Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar in einer gemeinsamen Pressekonferenz am Montag vor. Beide Kammern berichteten übereinstimmend über noch zahlreiche offene Stellen für das kommende Ausbildungsjahr.

Die strukturellen Probleme am Ausbildungsmarkt bestehen also weiterhin fort, auch wenn zumindest bei den IHK-Berufen Anzeichen dafür zu erkennen sind, dass die Vor-Corona-Zahlen wieder erreicht werden können. Auch die Handwerkskammer sieht sich aufgrund der aktuellen Zahl an neu eingetragenen Ausbildungsverträgen mit Stand vom 31. Mai 2023 auf einem guten Weg. Im Vergleich zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres ist ein Plus von 17 Prozent zu verzeichnen. Zwar habe man sich bereits in den Vorjahren – sowohl 2021 als auch 2022 – jeweils zum Jahresende über ein Plus an neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen gegenüber dem jeweiligen Vorjahr gefreut, doch sei die Gesamtzahl an Auszubildenden im Handwerk seit 2020 im Kammergebiet rückläufig. „Generell brauchen wir im Handwerk mehr Fachkräfte und mehr Auszubildende“, stellte Handwerkskammerpräsident Klaus Hofmann fest. Durch den demografischen Wandel, im Zuge der Digitalisierung und der Dekarbonisierung der Wirtschaft stehe das Handwerk vor großen Herausforderungen, die nur mit personeller Stärke zu bewältigen seien. „Die bestehenden Fachkräfteengpässe drohen sich durch den erhöhten Bedarf an Mitarbeitern weiter zu verschärfen, was unter anderem auch die Umsetzung der Energiewende gefährdet“, so Klaus Hofmann. „Handwerk ist hierbei ein zentraler Akteur, besonders in Gewerbezweigen wie der Elektrotechnik und des Installateur- und Heizungsbaus.“

Aktuell sind bei den Agenturen für Arbeit in der Region noch 2.820 freie Lehrstellen gemeldet. Der tatsächliche Wert liegt deutlich höher, da viele Unternehmen ihre freien Plätze nicht den Agenturen melden. „Fast die Hälfte unserer Ausbildungsbetriebe hat noch unbesetzte Stellen und sucht noch nach engagiertem Nachwuchs“, sagte Manfred Schnabel, Präsident der IHK Rhein-Neckar, mit Verweis auf eine Umfrage. In ihr sprachen 46,5 Prozent der Antwortenden von noch freien Ausbildungsplätzen. Daher gelte auch in diesem Jahr, dass Bewerbungen für das bald startende Ausbildungsjahr möglich, sinnvoll und begehrt seien. „Wer noch zögert: Gebt euch einen Ruck! Bewerbt euch jetzt! Es lohnt sich!“, appellierte der IHK-Präsident an die künftigen Fachkräfte. Als Gründe für die vielen freien Lehrstellen geben in der IHK-Umfrage zwei Drittel (67 Prozent) an, dass geeignete Bewerber fehlen, rund ein Drittel (30 Prozent) habe erst gar keine Bewerbungen erhalten.

Ein Phänomen, das sich auch bei den Betrieben des Handwerks zeigt. Hier sagt einer Umfrage zufolge jeder zweite Betrieb, dass er keine oder keine geeigneten Bewerber habe. „Wir hören immer wieder in Gesprächen, dass es zunehmend schwieriger wird, offene Lehrstellen zu besetzen“, sagt Klaus Hofmann, Präsident der Handwerkskammer. „Während vor zehn Jahren die Auswahl noch deutlich größer war und Betriebsinhaber auf einen ganzen Stapel an Bewerbungen zugreifen konnten, kann man sie heute oftmals an einer Hand abzählen.“ Aktuell seien allein in der Online-Lehrstellenbörse der Handwerkskammer an die 250 freie Ausbildungsplätze im regionalen Handwerk gemeldet. Da nicht jeder Betrieb sein Angebot meldet, sei die tatsächliche Zahl aber deutlich höher.

Mit Blick auf die bis Ende Mai von der IHK neu eingetragenen Ausbildungsverhältnisse berichtete Schnabel von einem erfreulichen Trend: Ihre Zahl stieg um 9,5 Prozent auf 1530. Dieser Zuwachs verteilt sich nahezu gleichmäßig auf die kaufmännischen (934, +9,0 Prozent) und gewerblich-technischen Berufe (596, +10,4 Prozent). Auch profitieren alle Teilregionen: Mannheim +9,8 Prozent, Rhein-Neckar-Kreis +13,2 Prozent, Neckar-Odenwald-Kreis +14,6 Prozent. Lediglich die Zahl in Heidelberg stagnierte (-1,3 Prozent). Erfreulich sei, dass im Vergleich mit 2019, also dem Jahr vor Corona, der Rückgang nur bei 8,7 Prozent liege. „Die Mai-Zahlen sind eine Momentaufnahme. Aber wenn sich der Trend bis zum Start des Ausbildungsjahres fortsetzt, haben wir den Corona-bedingten Einbruch weitgehend aufgeholt“, erklärte Schnabel. In der Pandemie kamen Berufsorientierung und klassische Formen des Ausbildungsmarketings weitgehend zum Erliegen, Unternehmen und Schulabgänger fanden häufig nicht zueinander.

Für die Handwerkskammer war die schwierige Situation zu Pandemiezeiten, die den direkten Zugang zu Schülerinnen und Schülern verhinderte, Anlass für den Launch der regionalen Ausbildungskampagne „Handwerk – Das isses!“. Während im vergangenen Jahr gezielt junge Leute adressiert waren, liegt der Fokus in diesem Jahr auf der Elternansprache. „Wir wissen, dass sie einen größeren Einfluss auf die Berufswahl ihrer Kinder nehmen als beispielsweise Freunde oder Lehrer“, erklärte Handwerkskammerpräsident Klaus Hofmann. Die Tendenz bei den neuen Ausbildungsabschlüssen zum Jahresauftakt stimme auch im Handwerk zuversichtlich. Da die Verträge hier traditionell erst im Mai / Juni zur Registrierung bei der Kammer eingingen, sei die Zahl mit 450 zum 31. Mai 2023 noch nicht allzu hoch, liege aber 17 Prozent über der Vergleichszahl des Vorjahres. Der Anstieg bildet sich in allen Teilregionen ab, also sowohl in den Stadtkreisen Mannheim (+37 Prozent) und Heidelberg (+7 Prozent) als auch in den Landkreisen Neckar-Odenwald (+13 Prozent) und Rhein-Neckar (+7 Prozent).

Gleichzeitig dürfe die Erholung nicht darüber hinwegtäuschen, dass die strukturellen Probleme am Ausbildungsmarkt weiterhin enorm sind. Viele Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt, besonders groß ist der Bewerbermangel in den gewerblich-technischen Berufen. „Dabei sind es gerade die Menschen mit einer technischen Ausbildung, die von den Unternehmen für die digitale und die ökologische Transformation dringend gesucht werden“, mahnte der IHK-Präsident mit Blick auf aktuelle Zahlen des IW Köln, dass die Lücke an MINT-Fachkräften, -Meistern und Technikern in Deutschland mit 167.100 angibt. Dabei sind die Unternehmen sehr flexibel und engagiert, um ihren Fachkräftebedarf zu decken. So gaben in der IHK-Umfrage 38 Prozent an, dass sie auch lernschwächeren Jugendlichen eine Chance geben, 30 Prozent organisiert im Betrieb Nachhilfeunterricht. Um die Zahl der Bewerber zu steigern, erhöhen die Unternehmen die Zahl der Praktika (61 Prozent) und nutzen Veranstaltungen wie „Tage der offenen Tür“ u. ä. (49 Prozent).

Vergleichbare Maßnahmen sind auch im Handwerk an der Tagesordnung – auch um alle Möglichkeiten der Kontaktaufnahme zu potenziellen Bewerbern auszuschöpfen. Traditionell ist die Ausbildungsleistung in den handwerklichen Betrieben außerordentlich hoch. Deutlich mehr als ein Viertel aller betrieblichen Lehrlinge bundesweit wird im Handwerk ausgebildet. „Auch die Unternehmen in der Region geben alles, um Nachwuchs im Handwerk zu sichern“, so Präsident Hofmann. Nahezu jeder zweite Betrieb im Gebiet der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald beschäftigt Auszubildende. Mit rund 81 Prozent am häufigsten tun dies Betriebe in einer Größe zwischen zehn und 19 Mitarbeitern, gefolgt von Betriebsgrößen zwischen 20 und 49 Mitarbeitern (68 Prozent). „Aber selbst sehr kleine Betriebe mit zwei bis vier Mitarbeitern bilden aus“, unterstreicht Klaus Hofmann. Ihr Anteil in der Region liegt bei rund 13 Prozent. Das Angebot betrieblicherseits stimme also, es brauche nur mehr junge Menschen, die es auch nutzen.

Mit Blick auf die mangelnde Ausbildungsreife sieht der IHK-Präsident daher auch die Bildungspolitik in der Pflicht. Es mangele nicht an Ausbildungsplätzen, sondern an einer realistischen Berufsorientierung in den allgemeinbildenden Schulen, insbesondere an den Gymnasien. Schnabel verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass aktuell 38,5 Prozent aller neuen Ausbildungsverträge von Absolventen mit Hochschulzugangsberechtigung geschlossen wurden. Der IHK-Präsident bot daher an, die Partnerschaften zwischen Unternehmen und Schulen weiter zu vertiefen und so noch mehr Lehrkräften in der Berufsorientierung authentische Einblicke in die Wirtschaft geben zu können.

Ein Anliegen, das auch Handwerkskammerpräsident Klaus Hofmann am Herzen liegt. Gerade der Zugang zu den Gymnasien sei oft sehr schwierig. „Die Berufsorientierung hin zur dualen Ausbildung wird dort bisweilen ignoriert“, so Hofmann. „Der Ausbildungsweg kommt als Option erst gar nicht zur Sprache, während die Studiengänge aufgezeigt werden. Beides muss aber seinen Platz haben.“ Dabei steige der Anteil von Abiturienten unter den Azubis im Kammergebiet stetig, was zeige, dass generelles Interesse besteht.

Als weiteres Ausbildungshindernis führte Schnabel häufig weit entfernte Berufsschulen an. Der IHK-Präsident forderte daher mehr Flexibilität, beispielsweise Online-Unterricht oder geringere Mindestklassengrößen.

Wie schwer sich die Politik mit der Stärkung der dualen Ausbildung tue, zeigten auch zwei aktuelle Beispiele: So plant Baden-Württemberg ein Studi-Ticket als verbilligtes Deutschland-Ticket, hat dabei aber die Azubis vergessen. „Das Studi-Ticket greift zu kurz. Wir brauchen ein ‚Bildungs-Ticket’ für alle junge Menschen in Ausbildung oder Studium“, fordert IHK-Präsident Schnabel.

Im vergangene Woche verabschiedeten Bundes-Weiterbildungsgesetz gebe es zudem den verfehlten Anspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung. „In Regionen wie der unsrigen mit fehlenden Bewerbern besteht die Gefahr, dass die Unternehmen weiteres Potenzial verlieren. Gegen solch einen Anspruch sprechen zudem die Gefahr der Fehlsteuerung, die Ausbildung erfolgt ohne späteren Bedarf der Wirtschaft, sowie die hohen Kosten“, kritisiert Schnabel.

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