Apothekenperspektive vernachlässigt – Kontroverse Diskussionen im Bundestagsausschuss

In einer intensiven Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags wurden am gestrigen Tag das Digital-Gesetz (DigiG) und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) erörtert. Trotz des breiten Themenspektrums wurde deutlich, dass die Perspektive der Apotheken in den Diskussionen nur am Rande Beachtung fand. Der Fokus lag vor allem auf der Evaluierung der Umsetzbarkeit und Sinnhaftigkeit der Gesetzesentwürfe im Kontext der Krankenkassen und Ärzte. Staatssekretär Dr. Edgar Franke (SPD) beteiligte sich an der Fragerunde, trug jedoch nur marginal zur Diskussion bei.

Eine zentrale Thematik der Anhörung war die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und die Beurteilung ihrer Realisierbarkeit seitens der Krankenkassen. Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, äußerte kritische Bedenken hinsichtlich des festgelegten Einführungstermins und zweifelte an dessen Angemessenheit. Ihrer Meinung nach sei die digitale Umsetzung zur Opt-out-Regelung erst ab Februar 2024 zu erwarten. Statt des ursprünglich geplanten Starts der ePA zu Beginn des Jahres 2025 schlug sie einen Starttermin zum 1. Juli 2025 vor.

Dr. Jens Baas, Leiter der Techniker Krankenkasse (TK), gab an, dass seine Kasse bereits die Planungen für ein Schreiben an die Versicherten zur Opt-out-Widerspruchsregel vorantreibt.

Ein unabhängiger Sachverständiger, Professor Dr. Ferdinand Gerlach, ehemaliger Vorsitzender im Sachverständigenrat, betonte die Bedeutung der Einführung der ePA. Er sah darin eine Stärkung der Datensouveränität der Patienten und unterstrich, dass bisherige Datenschutzmaßnahmen den Patienten keinen Überblick darüber verschaffen würden, welche Daten und Informationen über sie gesammelt werden. Statt die Diskussion über die Opt-out-Lösung weiter zu intensivieren, empfahl er eine umfassende Aufklärung über die Auswirkungen der Nichtnutzung der ePA sowie über die Konsequenzen der Löschung einzelner Daten durch die Patienten.

Professor Gerlach wurde auch zur assistierten Telemedizin befragt. Er betonte die Notwendigkeit, bei der Einführung neuer Leistungen die Auswirkungen auf bestehende Strukturen zu berücksichtigen. Er warnte davor, dass bei der Schaffung neuer Versorgungsmöglichkeiten, wie Gesundheitskioske oder Telemedizin in Apotheken, zu viele Schnittstellen entstehen könnten. Seiner Meinung nach sollte die Investition eher in die Stärkung bestehender Hausarztstrukturen fließen, anstatt in den Aufbau neuer Versorgungsmöglichkeiten.

Die Einführung der ePA wurde auch von der Ärzteschaft kontrovers diskutiert. Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), betonte, dass die Ärzte grundsätzlich offen für das Thema seien, aber die technischen Schwierigkeiten für Unmut und Frustration sorgten. Er sah jedoch erheblichen Mehrwert für die Patienten und verwies auf die Möglichkeit eines digitalen Arzneimittelrückrufs über die ePA und die dazugehörige App. Bisher erfolgte Rückrufe per Rote-Hand-Brief, der oft den Patienten nicht erreicht.

Die Diskussion um die Funktion des E-Rezepts als Wiederholungsrezept fokussierte auf die Forderung der Hausärzte nach einer Umdefinition des geforderten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts. Dabei wurde auch die Situation von Chronikern thematisiert, die aus ökonomischer Sicht regelmäßig einbestellt werden müssten.

Die Verbraucherzentrale Bundesverband und BKK-Chef Franz Knieps äußerten Bedenken bezüglich der im DigiG vorgesehenen Telemedizin. Sie warnten vor einer Entwicklung in Richtung "Callcenter-Medizin", da solche Angebote nicht im Sinne einer positiven Patientenversorgung seien. Diese Bedenken unterstreichen die Notwendigkeit einer ausgewogenen und patientenzentrierten Gestaltung der Telemedizin-Angebote im Rahmen der Gesetzesentwürfe.

Der Gesundheitsausschuss wird in den kommenden Wochen weitere Expertenanhörungen durchführen, um die verschiedenen Perspektiven und Bedenken in die abschließende Entscheidungsfindung einzubeziehen.

Kommentar:

Der gestrige Gesundheitsausschuss im Bundestag bot einen tiefen Einblick in die kontroversen Diskussionen rund um das Digital-Gesetz (DigiG) und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG). Besonders auffällig war dabei die geringe Berücksichtigung der Perspektive der Apotheken, deren Rolle im Kontext der Gesetzesentwürfe anscheinend nur am Rande Beachtung fand.

Die zentrale Debatte um die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) offenbarte kritische Bedenken seitens des GKV-Spitzenverbandes und des Leiters der Techniker Krankenkasse (TK). Die Zweifel an der Realisierbarkeit des festgelegten Einführungstermins und die Diskussion über einen möglichen Starttermin zum 1. Juli 2025 werfen Fragen zur Planungssicherheit und Umsetzbarkeit auf.

Die klaren Worte des unabhängigen Sachverständigen, Professor Dr. Ferdinand Gerlach, zur Stärkung der Datensouveränität der Patienten und der dringenden Notwendigkeit einer umfassenden Aufklärung über die ePA sind von hoher Relevanz. Seine Warnung vor zu vielen Schnittstellen bei der Einführung neuer Versorgungsmöglichkeiten verdeutlicht die Herausforderungen bei der Integration innovativer Technologien im Gesundheitswesen.

Die kontroverse Diskussion in Bezug auf die assistierte Telemedizin und die Bedenken der Verbraucherzentrale Bundesverband und BKK-Chef Franz Knieps unterstreichen die Komplexität und die zu berücksichtigenden Aspekte bei der Ausgestaltung von Telemedizin-Angeboten.

Die Erörterung des E-Rezepts als Wiederholungsrezept und die Forderung der Hausärzte nach einer Umdefinition des persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts verdeutlichen die Notwendigkeit einer fein abgestimmten Balance zwischen Digitalisierung und dem Erhalt bewährter Strukturen im Gesundheitswesen.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Anhörung im Gesundheitsausschuss einen umfassenden Blick auf die verschiedenen Facetten der Gesetzesentwürfe ermöglichte. Die kommenden Wochen werden zeigen, inwiefern die diskutierten Bedenken und Vorschläge in die finale Ausgestaltung der Gesetze einfließen und welche weiteren Schritte zur Sicherung einer patientenzentrierten und effizienten Gesundheitsversorgung unternommen werden.

Von Engin Günder, Fachjournalist

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