„Etwa zehn Prozent der Menschen, die an Covid erkrankt sind, entwickeln das sogenannte Post-Covid-Syndrom, auch Long-Covid genannt. Fatigue, diese bleierne Erschöpfung, die nichts mit einer normalen Müdigkeit zu tun hat, ist eines der Symptome, die uns dabei am häufigsten begegnen“, sagt Dr. Peter Trunzer. „Die Forschung sucht noch nach den Auslösern des Fatigue Syndroms. Ursachen werden im Energiestoffwechsel der Zellen vermutet, in den Mitochondrien oder den Immunzellen.“
Die Diagnose dieser Erkrankung sei eine Herausforderung. Eines stehe fest: Das Fatigue Syndrom ist keine psychische Erkrankung. Häufig hätten Betroffene bis zur Diagnose eine wahre Odyssee hinter sich. Manchmal würden sie schlicht nicht ernst genommen. Das beobachten Dr. Trunzer und seine Kolleg*innen nun auch bei Menschen mit Post-Covid-Fatigue.
„Mir fällt auf“, antwortet Trunzer, befragt nach seiner Erfahrung mit dem neuen Krankheitsbild, „dass wir es mit einem unglaublich breiten Spektrum an Beschwerden in verschiedensten Ausprägungen zu tun haben – auch nach leichten Verläufen der zu Grunde liegenden Covid-Erkrankung. Wir können kein einheitliches Bild feststellen. Dieses Virus kann fast jedes Körpersystem befallen. Ich muss da an einen besonders schweren Fall denken, den wir hier behandelt haben. Ein Patient hatte sich kurz nach einer Krebserkrankung, nach Chemotherapie und Bestrahlung, mit Covid-19 infiziert. Die Muskeln dieses Patienten waren regelrecht weggeschmolzen. Er kam vollkommen geschwächt im Rollstuhl zu uns. Wir mussten ihn wieder hochpäppeln.“
Das Post-Covid-Syndrom lässt sich fast nie nur einem einzigen Fachbereich zuordnen. Betroffene können gleichzeitig neurologische, pneumologische, kognitive und psychische Beschwerden zeigen. Um Betroffene mit so einem komplexen Krankheitsbild optimal zu behandeln, hat das Gesundheitsunternehmen MEDICLIN ein bisher einzigartiges, häuserübergreifendes Konzept entwickelt. Expert*innen verschiedenster Fachrichtungen aus Fachkliniken der MEDICLIN im ganzen Bundesgebiet tauschen sich virtuell aus. So können Diagnosen schneller gefunden und Therapiepläne individuell erstellt werden. Telemedizinisch kann aus anderen Häusern sogar mitbehandelt werden.
„Ihm Idealfall“, so Trunzer, „löst dieser intensive Austausch – unter anderem mit Kolleg*innen aus Pneumologie, Kardiologie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie – den großen Aha-Effekt aus; bringt diesen einen, entscheidenden Tipp von der erfahrenen Kollegin, vom erfahrenen Kollegen. Keine Fachklinik kann alle Themen und Aspekte dieses komplexen, neuen Krankheitsbildes abdecken. Es ist einfach nicht möglich. Deswegen ist der Austausch, den wir hier aufbauen konnten, so wichtig und wertvoll.“
Wenn es um die konkrete Behandlung der Post-Covid-Fatigue geht, kann Trunzer auf jahrelange Erfahrung mit dem chronischen Fatigue-Syndrom zurückgreifen. So verschafft sich Trunzer anhand eines Fatigue-Scores, dem ein Fragenkatalog zugrunde liegt, und einem sechsminütigen Gehtest einen ersten Eindruck. Auf dieser Basis wird zunächst eine Einteilung in drei Leistungsgruppen vorgenommen.
Bewegung und Motivation seien wichtig für die Betroffenen. „Aber um Himmels Willen nicht zu großen Druck aufbauen und zu ehrgeizig sein“, warnt Trunzer. „In der Regel wird Erkrankten ein Aufenthalt von drei Wochen genehmigt. Drei Wochen, das ist nicht viel Zeit, gerade für so eine komplexe Erkrankung wie das Post-Covid-Syndrom. Da darf man nicht auf Teufel komm raus alles herauskitzeln wollen. Zu viel Training kann das Gegenteil bewirken, kann sogar einen Rückschritt auslösen.“
In der Kraichgau Klinik werden Menschen mit Fatigue ganzheitlich behandelt. Dazu gehört auch die Ernährung. Im Oktober wird eine neue Diätassistentin die Patientin hierbei zusätzlich unterstützen. Auch mit der Lichttherapie hat Trunzer gute Erfahrungen gemacht. Diese regt über die Augen die Funktion der Zirbeldrüse an. Zunächst sei es aber auch wichtig, dass Patient*innen einfach zur Ruhe kommen, sich erholen, sich mit anderen Betroffenen austauschen können.
Patient*innen, deren Fatigue durch Post-Covid ausgelöst wurde, werden in der Kraichgau Klinik nicht in gesonderten Gruppen behandelt. Sie werden entsprechend ihrer Symptome zugeteilt. So machen beispielsweise alle mit kognitiven Problemen das Gedächtnistraining, unabhängig von der Ursache der Einschränkung. Kognitive Ausfälle und schwere Konzentrationsstörungen beobachtet Trunzer übrigens häufig bei dem Post-Covid-Syndrom. Diese können bei Betroffenen, die im Verlauf ihrer Erkrankung intensivpflichtig wurden, auch durch die künstliche Beatmung ausgelöst worden sein.
Über Dauer und Erfolg einer Behandlung der Post-Covid-Fatigue mag Trunzer keine konkreten Prognosen wagen. „Meine Erfahrung bei Fatigue ist die“, erklärt er, „es gibt eine enorme Bandbreite: Manche Menschen erholen sich innerhalb von Wochen vollständig. Andere kämpfen sich da monatelang heraus. Manche müssen aber auch feststellen, dass es nie wieder genauso wird, wie es vorher einmal war. So etwas ist natürlich schwer zu akzeptieren. Aber davon gehen wir natürlich nie aus. Mit vereinten Kräften tun wir in der Reha alles, um den Menschen wieder ganz zurück ins Leben zu begleiten.“
Infokasten Fatigue:
Das Chronische Fatigue Syndrom tritt mit schweren Erschöpfungszuständen und starken körperlichen und kognitiven Symptomen auf. Schlaf und Erholung bringen keine Besserung des Zustands. Bekannt ist Fatigue als Folgestörung, wie nach einer Covidinfektion, Tumorerkrankungen, Pfeifferschem Drüsenfieber und zahlreichen chronischen Erkrankungen. Darüber hinaus gibt es die behandlungsinduzierte Fatigue, beispielsweise als Begleiterscheinung einer Chemotherapie, aufgrund der Gabe von Antibiotika oder bei einer Hormonblockade in der Krebsbehandlung.
Die extreme Erschöpfung, die auch kleinste alltägliche Aktivitäten unmöglich machen und bis zur Bettlägerigkeit führen kann, tritt auch als begleitende Erkrankung auf. Tumore, Infektionen oder Autoimmunerkrankungen entkräften den Organismus. Diese Erschöpfung erleben Betroffene manchmal sogar als ersten Vorboten einer schwerwiegenden Erkrankung. Abzuklären ist immer, ob sich ein Mangel hinter der Erschöpfung verbirgt, beispielsweise an Vitamin B12 oder Vitamin D. Auch hormonelle Ursachen, wie eine Störung der Schilddrüse, können vorliegen.
Die MEDICLIN Kraichgau-Klinik in Bad Rappenau ist eine Fachklinik für onkologische Rehabilitation sowie für chronische Schmerzerkrankungen und Fibromyalgie. Besondere Schwerpunkte liegen in der Behandlung von Lymphödemen und Brustkrebs sowie Harninkontinenz und in der Auseinandersetzung mit Sexualstörungen. Außerdem bietet die Klinik eine interdisziplinäre Post-Covid-Rehabilitation zur Behandlung von Patient*innen mit Langzeitfolgen von Covid-19 mit dem Schwerpunkt Fatigue an. Die Klinik verfügt über 199 Betten und beschäftigt rund 120 Mitarbeiter*innen.
Über MEDICLIN
Zu MEDICLIN gehören deutschlandweit 35 Kliniken, sieben Pflegeeinrichtungen und zehn Medizinische Versorgungszentren. MEDICLIN verfügt über rund 8.350 Betten/ Pflegeplätze und beschäftigt rund 10.200 Mitarbeiter*innen.
In einem starken Netzwerk bietet MEDICLIN den Patient*innen die integrative Versorgung vom ersten Arztbesuch über die Operation und die anschließende Rehabilitation bis hin zur ambulanten Nachsorge. Ärzt*innen, Therapeut*innen und Pflegekräfte arbeiten dabei sorgfältig abgestimmt zusammen. Die Pflege und Betreuung pflegebedürftiger Menschen gestaltet MEDICLIN nach deren individuellen Bedürfnissen und persönlichem Bedarf.
MEDICLIN – ein Unternehmen der Asklepios-Gruppe.
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