In Deutschland werden pro Jahr derzeit mehr als 400.000 Altersbrüche behandelt. Eine vergleichbar große Anzahl an Patienten wird darüber hinaus mit orthopädischen Erkrankungen im Alter von mindestens 80 Jahren oder älter als 70 Jahren mit mehreren Krankheiten stationär betreut. Die Herausforderung: eine bestmögliche gesundheitliche Betreuung bei Verletzungen, Verschleiß oder Erkrankungen des Knochen- und Bewegungsapparates, um die Lebensqualität von Senioren und Seniorinnen zu erhöhen und Folgeerkrankungen abzuwenden. Dabei müssen die körperlichen Besonderheiten älterer Menschen noch stärker Beachtung finden. „Ältere Menschen sind nicht einfach nur altgewordene Erwachsene, die an einer zunehmenden Zahl von Krankheiten leiden, sondern Menschen mit sehr unterschiedlichem Stoffwechsel und einer sehr eigenen Physiologie, die durch eine besonders hohe Anfälligkeit für Infektionen, Verletzungen und Komplikationen gekennzeichnet ist“, sagt Prof. Dr. Rainer Wirth, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG).
„Eine altersgerechte Behandlung erfordert Kooperationsmodelle beziehungsweise sogenannte geriatrische Co-Management-Modelle. Diese wurden speziell für ältere Menschen bereits bei der Versorgung von Knochenbrüchen eingeführt, insbesondere bei der Versorgung von Patienten mit Oberschenkelhalsbrüchen“, sagt Prof. Dr. Clemens Becker, Mitherausgeber und DGG-Experte. Damit lässt sich laut Studienergebnissen die Sterblichkeit älterer Patienten um mehr als 20 Prozent senken. „Grundsätzlich ist die Behandlung von Erkrankungen am Bewegungsapparat bei älteren Menschen nur durch die eng verzahnte Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen möglich. Experten aus der Orthopädie und Unfallchirurgie, Altersmediziner sowie Fachleute aus Anästhesie und Pflege- und Therapieberufen müssen den alten Menschen ganzheitlich behandeln“, sagt Prof. Dr. Ulrich Liener, stellvertretender Leiter der Sektion Alterstraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Das ist auf Grundlage eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) von 2021 für die Unfallchirurgie bereits gesetzlich verankert. Ziel ist, bis 2025 überall interdisziplinäre und interprofessionelle Einheiten unter der Leitung von Orthopäden und Unfallchirurgen sowie Altersmedizinern zu schaffen.
Nun müssen entsprechende Regelungen auch für planbare Eingriffe – wie den Einsatz von künstlichen Gelenken folgen. Neben der verzahnten Behandlung unterschiedlicher Fachdisziplinen gilt es, den zeitlichen Planungsvorlauf aktiv zur Vorbereitung des Patienten zu nutzen, um ihn in einen bestmöglichen körperlichen Zustand zu versetzen. Es müssen beispielsweise Infektionen, unkontrollierte Herzrhythmusstörungen oder Blutzuckerentgleisungen vor der Operation festgestellt und behandelt werden. Auch der Betreuung nach einer Operation sollte noch eine größere Bedeutung beigemessen werden, um das OP-Ergebnis langfristig zu verbessern und die Komplikationsrate zu mindern.
Zeitliche Planbarkeit beim Einsatz von künstlichen Gelenken nutzen
Vor der Operation:
- optimierte Einstellung der Medikamente
- optimierte frühzeitige Schmerztherapie
- Hemmung der Blutgerinnung durch Gabe von gerinnungshemmenden Medikamenten
- Steigerung der Patientensicherheit durch Stärkung der körpereigenen Blutreserven
- Vermeidung von Flüssigkeitsverlust und weitere Maßnahmen
Behandlung während der Operation:
- Der gealterte und weniger feste Knochenapparat erfordert geeignete Behandlung und Operationstechniken.
- Bestehende Erkrankungen, die Medikation sowie die körperliche Verfassung des Erkrankten müssen berücksichtigt werden.
Nachbehandlung nach einer Operation:
- Die Nachbehandlung muss individuell für den Patienten angepasst werden.
- Sie sollte sowohl stationär als auch deutlich häufiger ambulant stattfinden, wo dies möglich ist.
Auf die Herausforderungen einer interdisziplinäreren Zusammenarbeit sind viele Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte jedoch noch nicht optimal vorbereitet, belastbare Strukturen sind häufig nicht vorhanden. Auch die Vor- und Nachbehandlung muss strukturell verbessert werden, da sie derzeit noch erhebliche Defizite und Lücken aufweist. Das zu ändern, ist die Herausforderung für die nächsten Jahre, um die bestmögliche orthopädisch-unfallchirurgische Behandlung älterer Menschen sicherzustellen.
Weitere Informationen:
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Weißbuch Alterstraumatologie und Orthogeriatrie erschienen: Mediziner stellen neue Versorgungsansätze für die Behandlung von Knochenbrüchen und den Einsatz künstlicher Gelenke bei älteren Menschen vor
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