Biografiearbeit neu gedacht

Wenn Martha an ihre große Liebe zurückdenkt, erfüllen sie Dankbarkeit und Wehmut. Dass ihre Ehejahre für sie „die schönste Zeit“ waren, wissen auch die Angestellten im Seniorenheim, in dem sie heute lebt. Biografiearbeit ist dort schon lange etabliert, denn sie verhilft zu einem individuellen, persönlichen Zugang zu den Bewohnerinnen und Bewohnern. Jetzt wird Biografiearbeit neu gedacht und ins digitale Zeitalter geholt: Drei Projektbeteiligte haben sich im Sinne einer zeitgemäßen Biografiearbeit auf den Weg gemacht und mit „touch.connect.care“ eine innovative, zukunftsfähige App entwickelt, die sich nun in der Erprobung befindet.

Emotionale und mentale Aktivierung sind im Alter wichtig, um so lange wie möglich eine gute Lebensqualität zu erhalten. Dafür braucht es im pflegerischen Kontext besonders viel Verständnis und Einfühlungsvermögen in den betreuten Menschen. Denn eine gute und professionelle Pflege ist in besonderem Maße vom menschlichen Kontakt geprägt: Sozialer Dienst, Pflegekräfte, Leitung, Angehörige und Pflegebedürftige, alle interagieren und profitieren von einem vertrauensvollen, achtsamen und offenen Zugang zueinander. Eine gute Biografiearbeit ist dafür essentiell, entsprechend auch eine gute Dokumentation und kontinuierliche Pflege der Daten.

Das 2020 gegründete Heidelberger Institute for Compassion und das Pflegeunternehmen avendi mit Hauptsitz in Mannheim bringen aktuell gemeinsam die innovative Anwendung „touch.connect.care“ voran. Dr. Jan Mayer, Mitbegründer des Institute for Compassion: „ Mit dem Namen ,touch.connect.care‘ möchten wir ausdrücken, dass durch digitale Technologien Wissen geteilt werden kann, um Verbindungen zu pflegebedürftigen Mitmenschen aufzubauen und Pflegearbeit zu leisten, die auf Mitgefühl und Empathie beruht.“ Der Ideengeber ist glücklich darüber, dass die Entwicklung voranschreitet und  der erhoffte Synergieeffekt zwischen den beteiligten Unternehmen da und spürbar ist. „Wir vom Institute for Compassion haben uns auf die Fahnen geschrieben, dazu beitragen zu wollen, die Welt noch ein bisschen menschlicher zu machen. Eines der daraus resultierenden Projekte nun so vielversprechend auf den Weg bringen zu können, ist toll!“

Das Unternehmen d-fine ist als Lösungsarchitekt und Entwickler im Boot. Das Ziel: eine zukunftsfähige App und nachhaltige technologische Umsetzung präsentieren zu können, welche auf Erweiterbarkeit und Flexibilität ausgelegt ist.

Anfang Februar 2022 stand das Projekt an einem spannenden Punkt: In der avendiEinrichtung CentroVerde in Mannheim ging die App in einem Wohnbereich in die praktische Erprobung. „Ich freue mich, dass wir nach neun Monaten Vorarbeit jetzt den nächsten Schritt gemacht haben“, sagt Hendrik Dreves, Berater für die Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase. Er selbst hat das Projekt von avendi-Seite von Anfang an begleitet. „Alle zwei Wochen ,treffen‘ sich die Mitglieder des Projektteams online, um sich über den aktuellen Stand auszutauschen und die nächsten Schritte zu planen. Dabei haben wir in begleitenden Workshops vorab auch Pflegekräfte einbezogen, um die Machbarkeit und Bedürfnisse abzuklopfen“, so Dreves, der im Arbeitsalltag stark auf Biografiekenntnisse von „seinen“ Bewohnerinnen und Bewohnern setzt. Den bisherigen Zugriff und die Verarbeitung von Informationen empfindet er aber als schwerfällig und veraltet: „Mit den üblichen Bögen und der SIS (Anm.: SIS = Strukturierte Informationssammlung) in der Pflegedokumentation zu arbeiten, macht einfach keinen Spaß. Ich vermisse da die Dynamik und Vernetzung der verschiedenen Quellen.“ Die neue App kann genau das leisten. Dreves: „Eine tolle Erfahrung, wenn man ein solches Instrument für die eigene Arbeit mitentwickeln und gestalten kann!“ Steckbriefe jeder Bewohnerin und jedes Bewohners sind für die Mitarbeitenden des TestWohnbereichs jetzt jederzeit schnell einsehbar. Das Tablet mit den personalisierten Hinweisen zu den verschiedenen Themenbereichen wie individuellen Vorlieben und Gewohnheiten, Motivation, Laufbahn, Hobbys und dem familiären Kontext können Dreves und sein Team direkt zu den Seniorinnen und Senioren mitnehmen. „Natürlich kennt man die Persönlichkeiten und Geschichten der Menschen in seinem Bereich im Normalfall“, sagt Hendrik Dreves. „Aber wenn man einspringt, Neuzugänge hat oder vielleicht eine Veränderung der Stimmungslage einschätzen möchte, bringt die neue App deutliche Vorteile mit sich. Die hinterlegten Informationen zu emotionalen Befindlichkeiten unserer  Pflegebedürftigen lassen sich außerdem bei Bedarf anpassen. Gerade bei Menschen mit Demenz erleben wir oft mit der Zeit Veränderungen in ihrer Gefühlswelt. Und wenn es am Ende möglich sein könnte, dass auch Angehörige Dateninput liefern, indem sie beispielsweise Bilder und Videos schicken oder nach einem Besuch mit wenigen Klicks die aktuelle Verfassung des betreuten Menschen einpflegen, dann würde uns das im pflegerischen Alltag ungemein helfen!“ Handhabung, Akzeptanz und Wirkung der neuen App, alles wird derzeit bei avendi auf die Probe gestellt. Parallel läuft die Entwicklung im Rahmen der agilen Umsetzungsstrategie weiter. Aus den Rückmeldungen aus der Pflege werden sofort AppAnpassungen und Erweiterungen abgeleitet. „Diese enge Form der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Projektpartner und Unterstützer macht den besonderen Reiz dieses Projektes für mich aus“, ist auch Martin Heitmann, Experte für Digitalisierung im Gesundheitsbereich bei d-fine und Leiter des Entwicklungsteams, vom Projekt „touch.connect.care“ begeistert.

Weitere Informationen

Biografiearbeit
Schicksalsschläge, Glücksmomente, Erfolgsgefühle. Jeder Mensch wird geprägt durch seine sehr persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen. Das gilt ebenso für pflegebedürftige Menschen. Dabei ist es essenziell, im persönlichen Umgang über oberflächliche Stammdaten und unspezifische Gesprächsthemen hinauszugehen, um einerseits die Pflege optimal zu gewährleisten und anderseits einen emotionalen Kontakt aufzubauen. Genau hier setzt die moderne Biografiearbeit an.

Kernpunkt ist die Strukturierung der individuellen Informationen über einen Menschen, um sie im pflegerischen Alltag für die emotionale und mentale Aktivierung und somit Erhaltung der Lebensqualität nutzbar zu machen. Bei „touch.connect.care“ bleiben die erfassten Daten jederzeit schnell zugänglich und editierbar. Das ist von Vorteil, wenn sich Vorlieben und Gewohnheiten im Alter – beispielsweise durch Demenz – doch noch stark verändern. Auch solche dynamischen Entwicklungen können dann über die App abgebildet werden.

Institute for Compassion
Das Institute for Compassion ist eine gemeinnützige Gesellschaft und unterstützt mit ihren Mitteln und ihrer Expertise Projekte, die auf die Förderung von Kohärenz und Mitgefühl bei menschlichen Begegnungen ausgerichtet sind. Das Projekt „ touch.connect.care“ wird insbesondere von Petra Johns und Prof. Dr. Jan Mayer begleitet. https://institute-for-compassion.de

d-fine
d-fine ist ein europäisches Beratungsunternehmen mit Fokus auf analytisch und technologisch anspruchsvolle Themen, die von einem naturwissenschaftlich geprägten, flexiblen Team mit einem hohen Maß an Verantwortung für zukunftsfähige Lösungen und ihrer nachhaltigen technologischen Umsetzung bearbeitet werden. Konzeption und Umsetzung aus einer Hand – dieser Ansatz ist fester Bestandteil der Projektarbeit. https://www.d-fine.com/

 

 

 

 

Über die avendi Senioren Service GmbH & Co. KG

avendi betreibt deutschlandweit 20 stationäre Pflegeeinrichtungen sowie 6 ambulante Pflege- und Betreuungsdienste. Das Pflegeleitbild der avendi stellt die personenbezogene, individuell zugeschnittene Pflege heraus, die sich etwa auf die persönliche Vorgeschichte, Krankheiten und Vorlieben gründet. Das Projekt wird federführend durch Hendrik Dreves, Beata Schumann und Sebastian Ries vorangetrieben. https://www.avendi-senioren.de

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