- Die Zeichen stehen auf Krise, doch bei den Unternehmensinsolvenzen zeigen die April-Zahlen und der Trend im Juni wenig Veränderung.
- Staatliche Hilfsmaßnahmen verhindern weiterhin Insolvenzen.
- Die Angst vor insolvenzbedingten Systemzusammenbrüchen birgt die Gefahr, dass sich wiederkehrende Reaktionsmuster verfestigen.
Das Statistische Bundesamt veröffentlicht mit heutiger Pressemitteilung* die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im April 2022 und gibt dabei einen Ausblick auf die Entwicklung im Juni 2022. Demnach ist die Zahl der beantragen Unternehmensinsolvenzen im April (1248) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,4 Prozent gesunken. Auch der Juni zeigt keine andere Entwicklung: Die Zahl der beantragten Unternehmensinsolvenzen ist gegenüber dem Vormonat Mai nochmals um 7,6 Prozent gesunken.
„Wie erwartet, hat sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen kaum verändert. Staatliche Hilfsmaßnahmen und deren Ankündigungen bestimmen weiterhin das Insolvenzgeschehen. Diese dämpfen künstlich die Entwicklung, sodass die aktuellen Insolvenzzahlen die tatsächliche wirtschaftliche Gesamtlage nicht widerspiegeln“, sagt Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID). „Was in der Coronazeit angefangen hat, wird in der jetzigen Krisensituation weiterentwickelt. Die neue Bundesregierung hat die Unterstützungspolitik der alten Regierung in vielen Bereichen fortgesetzt. Dabei sind die staatlichen Hilfsmaßnahmen weiterhin so massiv, dass wir uns nahezu auf einem Allzeittief der Unternehmensinsolvenzen befinden“, verdeutlicht der VID-Vorsitzende den aktuellen Umgang mit der Krise.
Niering beobachtet, dass die Unternehmen zunehmend eine Erwartungshaltung gegenüber der Bundesregierung und dem Gesetzgeber entwickeln, Insolvenzen um nahezu jeden Preis zu verhindern: Wirtschaftsminister Habeck plane Insolvenzen im Energiesektor zu vermeiden. Kommunale Stadtwerke riefen nach Bestandschutz. Verbände verwiesen auf die Systemrelevanz ihrer Mitglieder.
„Die Bundesregierung läuft Gefahr bei Krisenanzeichen in ein Reaktionsmuster von Hilfsmaßnahmen zu verfallen, aus denen es nur schwer einen Weg zurück in die Normalität gibt. Dies haben die Corona-Hilfspakete deutlich gezeigt. Doch hier ist dringend ein differenzierter Blick auf die unmittelbare Krisenbetroffenheit von Unternehmen gefragt. Der Ruf nach Unterstützung kann möglichweise andere grundlegende Probleme überlagern, die auch in guten Zeiten zu einer wirtschaftlichen Schieflage führen würden. In diesem Fall werden notwendige oder nicht vermeidbare Transformationsprozesse nur zu Lasten der Staatsfinanzen verzögert“, so Niering.
Quellen:
*7,6 % weniger beantragte Regelinsolvenzen im Juni 2022 als im Vormonat: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/07/PD22_297_52411.html
** Grafik des VID: Entwicklung der Unternehmensinsolvenzzahlen in der Coronakrise (IN-Verfahren), © Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID)/Juli 2022, Grafik kostenfrei nutzbar
Nicht alle beantragten Insolvenzverfahren werden auch eröffnet. In der Regel liegt die Eröffnungsquote bei ca. 60 Prozent. Voraussetzung einer Eröffnung ist ein Eröffnungsgrund sowie die voraussichtliche Deckung der Verfahrenskosten.
Der Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands ist der Berufsverband der in Deutschland tätigen Insolvenzverwalter und Sachwalter. Mit mehr als 460 Mitgliedern vertritt er die überwiegende Mehrheit dieser Berufsgruppe. Die Mitglieder verpflichten sich auf "Grundsätze ordnungsgemäßer Insolvenz- und Eigenverwaltung" und zur Zertifizierung nach ISO:9001. Damit setzt der Verband Maßstäbe für eine unabhängige, transparente und qualitativ anspruchsvolle Tätigkeit in Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren. Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist eine mindestens dreijährige Tätigkeit als Unternehmensinsolvenzverwalter oder Sachwalter.
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